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Mehr als 60 Prozent der Äthiopier sind jünger als 25 Jahre. Doch vielen Schulabgängern fehlen berufliche Perspektiven. Das „Grüne Innovationszentrum“ schafft darum Jobs für junge Menschen auf dem Land.
Es ist gar nicht so lange her, da sah der Tag von Adane Mekonnen ungefähr so aus: Irgendwann vormittags die Camouflagehose und das rotweiße Arsenal-London-Trikot überziehen, dann raus auf die Straße. Freunde treffen, rumhängen, den Tag vorbeiziehen lassen. Wer ein wenig Geld übrig hatte, spendierte erst ein paar Runden Tischtennis und später vielleicht ein paar Bier. „Das waren schwierige Zeiten“, sagt der 21-Jährige heute. Als einer von wenigen jungen Männern in der zentraläthiopischen Ortschaft Seyo hatte Mekonnen ein paar Jahre zuvor die 12. Klasse abgeschlossen. Doch an eine Ausbildung oder gar den Besuch einer Universität war nicht zu denken. „Das konnten wir uns nicht leisten.“ Arbeit in der Landwirtschaft hätte ihm gefallen, sagt er, aber abgesehen von ein paar Gelegenheitsjobs bot ihm niemand eine Chance. „So geht es hier vielen jungen Leuten. Es gibt einfach keine beruflichen Perspektiven.“
Die Camouflagehose und das Arsenal-London-Trikot trägt Adane Mekonnen auch heute noch gerne. Ansonsten hat sich so ziemlich alles in seinem Leben verändert. Der Tag beginnt früh, gegen sechs Uhr. Nach dem Frühstück macht er sich auf den Weg. Nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch erblickt er, zwischen Büschen und Bäumen auf einem kleinen Hügel gelegen, den Ort, der ihm eine Zukunft verspricht. Rund 50 knallgelbe Bienenkästen stehen dort, von einem Zaun vor ungebetenen Besuchern und von einem Wellblechdach vor Sonne und Regen geschützt. Wenn Mekonnen das hölzerne Tor zum Gelände öffnet, schwirren schon die ersten braunen Insekten um seinen Kopf. Er kümmert sich nicht weiter um sie. „Früher hatte ich Angst vor ihnen, denn sie können ziemlich aggressiv sein“, sagt er. „Aber jetzt reagiere ich gelassener, dann werden sie auch ruhiger.“ Seit April 2016 ist das Bienenhaus, weit außerhalb der Stadt Seyo, nicht nur sein Arbeitsplatz. Es ist gewissermaßen seine eigene Firma.
Gemeinsam mit 16 weiteren jungen Frauen und Männern bildet Adane Mekonnen eine Imker-Kooperative, die von Menschen für Menschen ins Leben gerufen wurde. Das Ziel dieser und weiterer kommerzieller Bauerngruppen, die auf Initiative der Stiftung gegründet wurden, ist es, das Einkommen der Bauern durch marktorientierte Produktion zu erhöhen und auf dieser Weise Verdienstmöglichkeiten für Jugendliche und Frauen auf dem Land zu schaffen. Durch Trainings, Beratung und Ausrüstung will Menschen für Menschen Agrar-Erträge erhöhen und Teile der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette in die Hände kleiner Kooperativen legen. Der Fokus der Aktionen liegt insbesondere auf Frauen und Jugendlichen wie Mekonnen und den anderen, die intensive Imkerschulungen absolviert haben und bis heute von Menschen für Menschen bei ihrer Arbeit begleitet werden.
Schon jetzt haben mehr als 400 junge Erwachsene eine Beschäftigung erhalten.
Den Auftrag zur Umsetzung des Programms erhielt Menschen für Menschen im Rahmen des Projekts „Grünes Innovationszentrum“ in der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Sonderinitiative "EINEWELT ohne Hunger" des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Ort des Geschehens der Initiative ist die Projektregion Dano, rund 230 Kilometer westlich der Hauptstadt Addis Abeba. „In Dano, wie in anderen Projekten in Äthiopien, produzieren die Bauern inzwischen oftmals mehr, als sie unmittelbar brauchen“, sagt Stiftungsvorstand Peter Renner. „Ziel ist es nun, die Bauern und jungen Leute bei der Verwertung und dem Verkauf ihrer Produkte zu unterstützen, also Wertschöpfungsketten aufzubauen“. Im Rahmen des Projekts ‘Grünes Innovationszentrum‘ haben schon jetzt rund 400 vormals arbeitslose junge Frauen und Männer Beschäftigung und Einkommen in den Bereichen Honig und Wachs, Gemüse und Obst, Saatgut, Ölsaat und Tiermast erhalten. Zudem zögen etwa viermal so viele Menschen in der Region indirekten Nutzen aus dem Projekt, so Renner.
Im Bienenhaus von Adane Mekonnen und den anderen sind zwar erst in 25 der 50 gelben Kästen Bienenvölker zu Hause, doch die jungen Leute arbeiten fieberhaft daran, auch die übrigen Boxen mit Leben – und tierischer Arbeitskraft – zu füllen. Dazu zimmern sie schmale hölzerne Röhren und hängen sie in Bäumen in der Gegend auf. Der Duft des Rauchs, mit dem sie die Röhren zuvor behandelt haben, lockt wilde Bienen, die auf der Suche nach einer neuen Heimat sind, an. „Wenn sie sich eingenistet haben, muss jemand da hoch und die Röhre herunterholen“, sagt der drahtige Mekonnen. Nicht er ist es, der diesen Job übernehmen muss.
Dann beginnt der schwierigste – und riskanteste – Part: „Wir leeren die Röhre auf einer Plane aus und hindern die Bienen mit einem künstlichen Sprühregen am Wegfliegen.“ Nun folgt die Suche nach der Königin, die irgendwo in dem schwarzen Insektenhaufen versteckt ist. „Die Arbeiterinnen schützen die Königin, das macht es so schwer sie zu finden.“ Ist sie aber erst einmal in der Hand des Imkers, geht es ganz schnell: Die Königin wird in einen der Bienenkästen gebracht, woraufhin die anderen Bienen ihr automatisch folgen. Künstliche Waben aus Wachs, die Mekonnen und die anderen in Handarbeit hergestellt haben, bieten den Tieren im Inneren des Kastens ein angenehmes neues zu Hause. Das Volk zieht ein.
„Das Geld, das wir auf diese Weise verdienen können, gibt uns Sicherheit. Die Arbeit hat uns Stolz und Hoffnung zurückgegeben.“
„Pro Bienenkasten können wir mit rund sechzig Kilo Honig im Jahr rechnen“, sagt Adane Mekonnen. Macht bei fünfzig Kästen rund 3.000 Kilo. Ein Kilo dieses hochwertigen Honigs erzielt in Äthiopien Preise von bis zu hundert Birr, umgerechnet rund drei Euro. Die junge Imker-Kooperative verkauft ihren Honig jedoch nicht an große Firmen. Ihr Abnehmer ist eine weitere von Menschen für Menschen gegründete Gruppe, die den Honig reinigt. Im Anschluss wird der gereinigte Honig an eine weitere Kooperative weitergereicht, die ihn in Gläser abfüllt, diese etikettiert und verpackt. Anschließend übernimmt eine vierte Gruppe junger Leute den Transport zu Märkten und Großhändlern in der Region, aber auch in der Hauptstadt Addis Abeba. Die somit errichtete Wertschöpfungskette gibt rund sechzig Jugendlichen Arbeit. „Das Geld, das wir auf diese Weise verdienen können, gibt uns Sicherheit“, sagt Adane Mekonnen. Aber nicht nur das: „Die Arbeit hat uns unseren Stolz und unsere Hoffnung zurückgegeben.“