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Wirtschaftskrise, Terrorattacken und Korruption wirken sich auf die Nahrungsmittelversorgung Nigerias aus. Das Land muss stärker als bisher auf die eigene Produktion setzen.
Abuja
Englisch, Hausa, Igbo, Yoruba
923.768 qkm
ca. 182 Mio.
ca. 2,6 %
95,2 Mio. (52,2 % der Gesamtbevölkerung)
45,6 Mrd. US-Dollar
2.548 US-Dollar
20,9 %
ernst (Wert: 25,5 / Trend: -8,1)
7 %
Index: 0,514 / Rang: 152 von 188
62%
Mit einem starken Ölsektor, einer wachsenden Informationstechnologie und einem florierenden Handel wuchs die nigerianische Wirtschaft jahrelang sehr stark. Seit 2014 gilt sie als die führende Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents. Doch im Herbst 2016 kippte die Konjunktur. Der niedrige Ölpreis, die kriselnde Währung und ein Aufstand im ölreichen Süden zwingen Nigeria jetzt mehr in seine Landwirtschaft zu investieren.
Nigeria ist mit Abstand der bevölkerungsreichste Staat Afrikas, mit mehr als 182 Millionen Einwohnern und einem Bevölkerungswachstum von 2,6 Prozent. Die Bevölkerung ist überwiegend jung. Von den heute 15- bis 24-Jährigen ist ein Drittel ohne Arbeit. Gerade diese Altersgruppe wird sich Prognosen zufolge bis 2050 zahlenmäßig fast verdreifachen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung, aber auch die Schaffung produktiver Arbeitsplätze stellen besonders drängende Herausforderungen an die Politik dar.
Während die nigerianische Wirtschaft in den letzten zehn Jahren zwischen 4 und 8 Prozent im Jahr wuchs, ist das BIP nach Angaben der Weltbank 2015 um 15 Prozent gesunken. Für 2016 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Das führt zu hohen Preissteigerungen, Arbeitsplatzverlusten und teilweise Engpässen bei der Lebensmittelversorgung. Die hohe Arbeitslosigkeit und eine schwächelnde Währung wirken sich auf die Kaufkraft auch für Nahrungsmittel aus.
Da sich der Staat auf den hohen Erdöleinnahmen ausruhen konnte, wurde die Landwirtschaft lange Zeit vernachlässigt. Die Produktivität der Landwirtschaft in Nigeria ist in den kleinbäuerlichen Betrieben gering. Deshalb werden Nahrungsmittel importiert, zum Beispiel Reis für jährlich vier Milliarden US-Dollar. Da die Landeswährung Naira im August 2016 um 17,5 Prozent abgewertet wurde, kam es zu einem enormen Preisanstieg für Nahrungsmittel.
Etwas mehr als 52 Prozent der Nigerianer leben auf dem Land und sind dort mit 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung mehrheitlich in der Landwirtschaft beschäftigt. Sie bauen Nahrungsmittel wie Reis, Mais, Kartoffeln, Maniok und Kakao an. Exportiert werden Erdnüsse, Kautschuk, Maniok und Yams. Die meisten Menschen leben im Süden Nigerias, vor allem in den Großstädten. Lagos zählt mit geschätzten 14 Millionen Einwohnern zu den Megacities. Der Norden ist eher dünn besiedelt, außer in den Städten und ihrer Umgebung. Gerade im Nordosten ist die Ernährungssituation kritisch.
Nigeria ist zwar der größte Erdölexporteur des afrikanischen Kontinents und der achtgrößte weltweit. Dies erweist sich in vielerlei Hinsicht aber eher als Fluch als ein Segen. Wegen Korruption und Misswirtschaft kommt von den Erlösen des „schwarzen Goldes“ beim Volk wenig an. Fast zwei Drittel der Nigerianer leben in Armut. Der relative Wohlstand im vorwiegend christlichen Süden des Landes nährt zudem Ressentiments im muslimisch geprägten, ressourcenarmen Norden. Neben den wirtschaftlichen Krisenerscheinungen verschärft sich auch die Sicherheitslage, vor allem im Nordosten des Landes.
Mit der fragilen Sicherheitslage ist der Hunger nach Nigeria zurückgekehrt.
Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram führt dort einen blutigen Feldzug zur Verbreitung ihrer fundamentalistischen Ideologie. Nicht zuletzt geht es dabei auch um die Kontrolle über fruchtbares Ackerland. Über zweieinhalb Millionen Menschen befinden sich in Nigeria auf der Flucht. In den vom Militär zurückeroberten Gebieten wurde das Ausmaß des Boko Haram-Terrors erstmals sichtbar: zerstörte Dörfer, Geisterstädte, verbranntes Land und vergiftete Brunnen. Zehntausende Menschen leiden unter extremer Unterversorgung, schätzen die Vereinten Nationen. Darunter fast eine Viertelmillion stark unterernährte Kinder im Norden Nigerias. Aufgrund dieser fragilen Sicherheitssituation ist der Hunger nach Nigeria zurückgekehrt. Außerdem schwelen im Nordosten Nigerias seit Jahren Konflikte zwischen Viehhirten der muslimischen Volksgruppe der Fulani und sesshaften christlichen Bauern bei denen es um Weideland geht. Die teils schwer bewaffneten Angriffe erhalten damit auch eine gefährliche religiöse Aufladung.
EINGEFÜHRTES VOLKSNAHRUNGSMITTEL Reis wurde erst während der britischen Kolonialzeit eingeführt. Neben Reis gehören Tee, und Weizen (Weizenbrot) heute in Nigeria zum Alltag. Reis ist inzwischen eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Städter, die hohen Importe sollen durch eine produktivere Eigenproduktion vermindert werden. Lieblingsgericht vieler Nigerianer ist Jollof Rice: durch Tomatensoße rot gefärbter, pikant gewürzter Reis mit Hühnchen.
Die Regierung strebt in den letzten Jahren verstärkt an, die Landwirtschaft zu fördern. Schon unter dem früheren Agrarminister und heutigem Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, wurde ein Paradigmenwechsel in der nigerianischen Agrarpolitik eingeleitet. Die eigene Produktion soll mit moderner Technik und neuen Anbaumethoden deutlich gesteigert werden. Der Staat fördert daher besseres Saatgut, den systematischen Einsatz von Dünger sowie eine verbesserte Bodenbearbeitung und Lagerung, damit die Erträge steigen und die Nachernteverluste reduziert werden. Zudem hat sich die Kreditversorgung für Kleinbauern vervielfacht.
Staatliche Programme und Entwicklungsprojekte bilden Bauern in modernen Anbau- und Erntetechniken weiter. Auch fördert der nigerianische Staat die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse der Kleinbauern und vermittelt über Berater Vermarktungsmöglichkeiten. Indem landwirtschaftliche Güter verstärkt innerhalb Nigerias weiterverarbeitet werden, steigert sich die Wertschöpfung und damit die Beschäftigungssituation auch in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Sektoren.