Bei Dir beginnt das Wir: 3 Thesen zur Endverbraucherkommunikation
„Fridays for Future“ steht wie kaum eine andere Bewegung für die Generation Z – jene Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Viele von ihnen vereint schon jetzt ein starkes Bewusstsein für eine gerechte Welt und ein nachhaltiges Leben. Und die so genannten Zoomer gewinnen zunehmend an Bedeutung: Sie stellen rund 30 Prozent der Weltbevölkerung dar und werden Prognosen zufolge in wenigen Jahren die Hälfte der Ausgaben für Konsumgüter tragen. Die Gen Z zwingt die Hersteller von Konsumgütern zum Umdenken. Dieser so genannte „Greta-Effekt“, der ohne die sozialen Medien nicht möglich wäre, zwingt nicht nur Unternehmen sich zu bewegen; sondern bietet auch viel Potenzial für die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit. Warum das so ist und wie es funktioniert, stellt Björn Willms, Berater für Kommunikation mit Fokus auf nachhaltige Agrarlieferketten und Standards bei der GIZ GmbH, in drei Thesen zur Diskussion.
These 1: Konsumentinnen und Konsumenten haben starken Einfluss auf die nachhaltige Gestaltung von globalen Agrarlieferketten.
Globale Agrarlieferketten sind durch eine Reihe von Akteuren geprägt. Am Anfang stehen Bäuer:innen und Arbeiter:innen, die die Rohstoffe für unsere Konsumgüter produzieren. Regierungen in den Produktions- und Konsumländern setzen die rechtlichen Rahmenbedingungen für den globalen Handel. Konzerne sollten sich in der Verantwortung sehen, ihre eigenen Lieferketten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltstandards zu überprüfen – ein Anspruch, der längst nicht die Realität abbildet. So gerät ein weiterer Akteur ins Rampenlicht: die Konsument:innen, die am Ende der Lieferkette anzutreffen sind. Verbraucher:innen haben eine enorme Marktmacht. Allein die Deutschen werden 2021 Nahrung im Wert von ca. 184 Mrd. Euro konsumieren. Klassische Importprodukte stehen dabei hoch im Kurs: 2020 wurden 18,5 Mrd. Euro für Kaffee ausgegeben, das sind rund 220 Euro pro Person. Die Entscheidung, konventionell oder als nachhaltig zertifizierte Produkte zu kaufen, trifft momentan jede Einkäuferin und jeder Einkäufer für sich – beim Griff ins Regal. Trotz positivem Trend bleibt der Faire Handel ein Nischenthema: 2019 wurden lediglich 1,85 Mrd. mit fairen Produkten umgesetzt. Der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee am Gesamtabsatz lag bei nur 6,7 Prozent.
These 2: Nur mit Konsumenten und Konsumentinnen können nachhaltig produzierte Produkte zur Norm werden.
Aufgrund ihrer Komplexität sind globale Lieferketten für Verbraucher:innen häufig sehr intransparent. Nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen ein Produkt angefertigt oder angebaut wurde, scheint fast unmöglich. Dabei ist genau das vielen Menschen so wichtig wie nie zuvor. Eine durch das Modeunternehmen Zalando beauftragte Studie zeigt, dass es mehr als die Hälfte der befragten Modeeinkäufer:innen Wert darauf legen, Marken mit hohen ethischen Standards zu kaufen. Jedoch lediglich 23 Prozent haben sich über solche Standards schon einmal informiert. Noch frappierender erscheint die Tatsache, dass 60 Prozent angaben, dass Transparenz für sie wichtig sei; aber nur 20 Prozent informieren sich aktiv über Nachhaltigkeit. Die Gründe für diese so genannte „Consumer Citizen Gap“ sind sicherlich komplex: Neben dem Siegeldschungel ist die zum Teil widersprüchliche Informationsfülle wahrscheinlich mit verantwortlich. Ist es dann nicht Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der Sache Unterstützung anzubieten? Auf ihrem Weg in eine faire Zukunft müssen die Verbraucher:innen also weiterhin begleitet werden. Konsument:innen sind schließlich auch Wählende und gestalten politische Entscheidungsprozesse mit.
These 3: Die Gen Z bewegt sich in sozialen Medien, die daher eine starke Hebelwirkung haben, um ein Bewusstsein für ökologische und soziale Gerechtigkeit in globalen Lieferketten zu schaffen.
Dieses Verständnis hält zunehmend Einzug in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, die Kommunikation nutzt, um ihre Ziele zu erreichen. Der Slogan #ichwillfair wird seit 2020 in den Sozialen Medien etabliert und soll Aufmerksamkeit für die Probleme globaler Lieferketten schaffen und zu nachhaltigem Konsum anregen. Dabei stehen soziale Medien und die Zusammenarbeit mit Kreator:innen im Zentrum. Schließlich bewegt sich dort die Zielgruppe der Gen Z, die nicht nur selbst Konsumierende sind, sondern auch ihr Umfeld beeinflussen. Der Social Media Atlas 2020 zeigt, dass sich jeder fünfte Internetnutzer ab 16 Jahren über YouTube, Facebook und Co. zu Kaufentscheidungen inspirieren lässt – Tendenz steigend. Besonders Influencer:innen haben einen großen Einfluss auf ihre Community. Das hat auch der YouTuber Robin Blase erlebt, als er im vergangenen Jahr über faire Einkommen berichtete:
„Ich hatte Sorge, das Video würde nicht gut geklickt werden. Die Resonanz war aber überwältigend und extrem positiv.“
Zu erreichen ist eine Verhaltensänderung schließlich nur durch einen steten Dialog mit den Menschen – und das über alle Phasen der Lieferkette hinweg.
Sehen Sie sich hier das Interview mit dem YouTuber Robin Blase zum Thema Verbrauchersensibilisierung an: