Klima, Biodiversität und Ernährung sind untrennbar verbunden
Das Bundesentwicklungsministerium sieht in nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen eine Chance für den Schutz des Klimas, den Erhalt der Biodiversität und die Sicherung Ernährung in der Zukunft. Dirk Meyer, Leiter der Abteilung 1 „Globale Gesundheit, Wirtschaft, Handel, ländliche Entwicklung“ im Bundesentwicklungsministerium, blickt auf die bevorstehende COP27.
Wir befinden uns in einer besonders herausfordernden Zeit im Kontext sich gegenseitig verstärkender multipler Krisen: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Verwerfungen der COVID-19-Pandemie, der fortschreitende Klimawandel sowie Biodiversitätsverlust tragen alle auch zur Verschärfung der Ernährungskrise bei. Viele Länder des globalen Südens sind in besonderem Maße betroffen. Die COP27 muss genutzt werden, integrierte Ansätze zur Bewältigung dieser Krisen zu entwickeln und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu beschließen. Koordinierte und globale Anstrengungen sind gefordert, um z. B. Agrar- und Ernährungssysteme krisenfester zu gestalten und die Not von Millionen Menschen zu mildern.
Um auf die akute und sich leider weiter zuspitzende Ernährungskrise zu reagieren, hat das BMZ im Mai 2022 im Rahmen der DEU G7-Präsidentschaft zusammen mit der Weltbank das Bündnis für globale Ernährungssicherheit (Global Alliance for Food Security (GAFS)) ins Leben gerufen. Mit der GAFS hat das BMZ eine Initiative geschaffen, die flexible, sofortige und koordinierte Hilfe ermöglicht. Außerdem soll die GAFS konkrete finanzielle und politische Zusagen mobilisieren und bündeln, um langfristig die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme innerhalb der planetaren Grenzen voranzutreiben. Deutschland hat außerdem konkrete Nahrungsmittelhilfe geleistet. Die Bundesregierung war 2021 mit 1,2 Milliarden Euro der zweitgrößte Geber des Welternährungsprogramms. Das BMZ stellt dabei 476 Millionen Euro für die Bekämpfung von Hungerursachen und für Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von gefährdeten Menschen bereit.
Mit mehreren Pavillons zum Thema Ernährung und einem thematischen Block zu „Agriculture and Food Systems“ am Agriculture and Adaptation Day am 12. November sind die Themen Ernährung und Landwirtschaft auf der Klima-COP präsent. Auch eine Sitzung der Staats- und Regierungschefs zum Thema Ernährungssicherheit findet am 8. November statt. Klimawandel sowie der Schutz, die Wiederherstellung und die nachhaltige Nutzung von Ökosystemen und Ernährungssicherheit müssen zukünftig noch stärker zusammen gedacht und angegangen werden, insbesondere unter strikter Einhaltung der Menschenrechte und der Rechte Indigener Völker sowie lokaler Gemeinschaften.
Naturbasierte Lösungen leisten einen zentralen Beitrag, diese Ziele gleichzeitig zu erreichen. Vor dem Hintergrund der dramatisch zunehmenden Degradation der Natur wird der Wiederherstellung von degradierten Ökosystemen für die zukünftige Ernährungssicherheit eine zunehmend wichtige Rolle zukommen.
Auf der Konferenz werden wir die nachhaltige Nutzung, den Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern und baumreichen Landschaften herausstellen. Denn gesunde Waldsysteme sind u.a. wegen ihrer positiven Wirkungen für den Wasserhaushalt stark mit der Verfügbarkeit von Nahrung und Einkommen verknüpft. Intakte Ökosysteme sind natürliche Klimaschützer: Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land sind natürliche Kohlenstoffsenken und unterstützen die Resilienz und Anpassung an den Klimawandel.
Auf der COP27 werden auch erste Ergebnisse der Initiative „CompensACTION for food security and a healthy planet“ vorgestellt, die das BMZ im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft ins Leben gerufen hat. Die Initiative hat das Ziel, dass Kleinbäuerinnen und Kleinbauern für ihre positiven Beiträge zum Umweltschutz und Erhalt von Naturkapital durch Ansätze wie Payments for Ecosystem Services (PES) angemessen entlohnt werden. Mit dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) wurde ein Finanzierungsvertrag über 15 Mio. EUR geschlossen, um Mechanismen für solche Ausgleichszahlungen zu pilotieren - in Äthiopien, Brasilien und Lesotho. Jetzt geht es darum, schnellstmöglich von der Theorie in die Praxis zu kommen.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird mit einer Vielzahl an Side-Events bei der COP27 vertreten sein, um mit Regierungsvertreter*innen, internationalen Organisationen, dem Privatsektor, und Vertreter*innen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft vertiefende Gespräche zu führen. Die Schwerpunkte des BMZ in Sharm El-Sheikh sind u.a. der Launch des globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken als konkreter Beitrag zu Lösungen über den Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten, die Ausrichtung eines Side-events zum Thema Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme in Zeiten multipler Krisen mit einem Augenmerk auf die Düngemittelkrise, das Mitgestalten der globalen Diskussion zu naturbasierten Lösungen und der Wiederherstellung von Ökosystemen sowie die Ausrichtung des Wasserpavillons und damit ein starker Fokus auf die Schlüsselrolle von Wasser für Anpassung und Resilienz.
Die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Empowerment von Frauen und Mädchen muss im Sinne einer feministischen Entwicklungspolitik bei Umwelt- und Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel mitgedacht werden.
Frauen übernehmen eine essenzielle Rolle bei Ernährungs- und Energiesicherheit, bei der Minderung von Treibhausgasemissionen und bei dem Schutz der Ökosysteme.
Gleichberechtigte Gesellschaften sind stabiler, widerstandsfähiger gegen Krisen und nachhaltiger. In den internationalen Klimaverhandlungen sind Frauen noch immer unterrepräsentiert; 2022 lag der Frauenanteil in den Gremien des UN-Klimasekretariats lediglich bei durchschnittlich 39 Prozent. Die diesjährige COP27 kann dazu beitragen, die Stimme von Frauen bei Klimaverhandlungen zu stärken und eine gendersensible Klimapolitik voranzubringen.
Das BMZ begleitet auch eng die Initiativen der ägyptischen COP-Präsidentschaft, u.a. die Food and Agriculture for Sustainable Transformation Initiative (FAST). Deutschland und Ägypten haben gemeinsam das Ziel, den Zugang zu Klimafinanzierung für die Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen zu verbessern und das enge Zusammenspiel Klimaschutz, Wasser- und Ernährungssicherheit deutlich zu berücksichtigen. Denn die Lebensgrundlage der ägyptischen Bevölkerung ist und bleibt das Wasser des Nils.