SDG 15 – Das Leben an Land aufzehren
Häufig betrachten Menschen und politische Entscheidungsträger die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) einzeln. Sie können aber nicht einzeln angegangen werden, da sie eng miteinander verbunden sind. Das bedeutet, dass wir systemische Lösungen brauchen, die mehrere SDGs gleichzeitig angehen. Nirgendwo wird dies deutlicher als bei der Betrachtung von SDG15 - Leben auf dem Land - in Verbindung mit SDG2 - Kein Hunger.
Leben an Land zielt darauf ab, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, die Wüstenbildung zu bekämpfen, Bodendegradation zu beenden und umzukehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen. Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, hat erhebliche Auswirkungen auf dieses Ziel: direkte Auswirkungen, indem die Landwirtschaft auf Waldflächen ausgeweitet wird und eine Verschlechterung von Boden- und Süßwasserressourcen verursacht, und indirekte Auswirkungen, indem zum Klimawandel beigetragen wird, der wiederum eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Darüber hinaus schränken die Verschlechterung der Boden- und Süßwasserressourcen und der Verlust der biologischen Vielfalt unsere Möglichkeiten zur Lebensmittelproduktion ein.
In einem kürzlich erschienenen Artikel in Nature wird dargelegt, dass durch die Wechselwirkung zwischen der historischen Klimaerwärmung und der Intensivierung der Landwirtschaft die Zahl der Insekten um fast 50 % und die Artenvielfalt um 27 % zurückgegangen ist. Dabei sind die Auswirkungen in tropischen Regionen ausgeprägter als in Regionen mit gemäßigtem Klima. Diese negativen Auswirkungen der Intensivierung der Landwirtschaft auf die Artenvielfalt sind sowohl in Naturschutzgebieten als auch in Agrarlandschaften zu beobachten. Dies wiederum ist mit dem Thema Hunger verknüpft, als Prävalenz von Mangelernährung, da Insekten wichtige Bestäuber von Kulturpflanzen sind. Schätzungen zufolge sind die durch unzureichende Bestäubung verursachten Ernteverluste in einkommensschwächeren Ländern am größten. So wird davon ausgegangen, dass beim Gemüseanbau 26 % und bei der Schalenfruchtproduktion 8 % verloren gehen. Dies hat eine unzureichende Ernährung zur Folge, was sich wiederum negativ auf die menschliche Gesundheit auswirkt.
Wir sind weit davon entfernt, die SDGs zu erreichen. Es scheint, als würde sich die Situation hinsichtlich Ernährung, Artenvielfalt und Klimawandel nur verschlechtern und als würden die Bereiche negative Einflüsse aufeinander ausüben. Die Zahl der hungernden Menschen in der Welt wächst seit 2015 stetig an. Schätzungen zufolge waren im Jahr 2021 736 Millionen Menschen unterernährt. Der Waldverlust hat seit 1990 stetig zugenommen und bleibt unverändert hoch (Nettoverlust von 11,1 Millionen Hektar in den Tropen im Jahr 2021, darunter 3,75 Millionen Hektar ursprünglichen Regenwalds). Die Bodendegradation nimmt trotz beeindruckendem Engagement im Bereich der Wiederaufforstung von Wäldern ihren Lauf. Der Verlust der Artenvielfalt nimmt weiter zu und verzeichnet einen Rückgang um 11 % im Rote-Liste-Index. Dieser misst den Erhaltungszustand der wichtigsten Tierarten von 1993 bis 2022, unter Berücksichtigung der Prognosen, dass das Aussterberisiko durch den Klimawandel zunehmen wird.
Deshalb überrascht es vielleicht auch nicht, dass politische Entscheidungsträger die Transformation von Ernährungssystemen mehr und mehr als entscheidend für den Umgang mit dem Problem des Artensterbens, des Klimawandels und des Hungers ansehen. Ein Problem bleibt dabei, dass ein Großteil der Äußerungen zur Transformation eigentlich nur auf schrittweise Verbesserungen bei der Effizienz eines veralteten Landwirtschaftsmodells abzielt, das auf der Aufrechterhaltung von Monokulturen von Kulturpflanzen mit umweltschädlichen Chemikalien und einer weitgehend getrennten Intensivtierhaltung basiert. Die notwendige Transformation erfordert ein verändertes Konsumverhalten bei Menschen, weniger Lebensmittelverluste und -verschwendung sowie eine Entwicklung integrierter, ausgewogener Produktionssysteme, die im Einklang mit der Natur arbeiten, statt Umweltschäden zu verursachen.
Agrarökologische Prinzipien bieten dabei eine vielversprechende Lösung. Sie wurden klar formuliert und ihre Auswirkungen auf die Transformation des Lebensmittelsystems haben allgemeine Anerkennung gefunden. Es wurde festgestellt, dass durch agrarökologische Praktiken, die sich aus der lokalen Anwendung dieser universellen Prinzipien ergeben, die Resilienz von Anbausystemen hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels gestiegen ist und Treibhausgasemissionen durch den geringeren Einsatz von fossilen Brennstoffen bei der Produktion und die Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in Boden und Vegetation reduziert werden konnten.
Vor Kurzem wurde durch Analysen von Langzeitdaten aus umfangreichen Testreihen in Afrika und Europa ein positiver Zusammenhang zwischen der Kulturpflanzenvielfalt und der Produktivität empirisch ermittelt. Das ist ein großer Gamechanger. Aus den Analysen geht hervor, dass Ernteerträge mit zunehmender Kulturpflanzenvielfalt steigen und dass Leguminosen dort, wo sie integriert sind, als Ersatz für anorganischem Stickstoffdünger dienen. Dies wird durch eine globale Metaanalyse von über 400 Testreihen untermauert, die ergeben hat, dass die Integration von Leguminosen in Fruchtfolgen die Haupternteerträge erhöht (durchschnittlich um 20 %), wobei die Auswirkungen größer waren, wenn weniger anorganischer Stickstoffdünger eingesetzt wurde. Eine globale Analyse der Auswirkungen der Integration von Bäumen in den Reisanbau zeigte ebenfalls, dass die Reiserträge mit Bäumen höher sind als ohne Bäume, wenn kein oder nur wenig Dünger eingesetzt wird, und dass die Ernteerträge bei der umfangreichen Umstellung auf agrarökologischen Anbau in Andhra Pradesh konstant blieben. Dabei waren die Erträge beim agrarökologischen Anbau höher als bei herkömmlichen Systemen, einhergehend mit einer höheren Bodenfeuchtigkeit, niedrigeren Bodentemperaturen und einer höheren Abundanz von Regenwürmern.
Die Kulturpflanzenvielfalt wurde darüber hinaus auf nationaler Ebene positiv mit der Ernährungsvielfalt in Zusammenhang gebracht. In einer globalen Metaanalyse von Vergleichsstudien fanden 78 % Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Agrarökologie, Ernährungssicherheit und Ernährung, wobei die Wirkung mit der Komplexität des agrarökologischen Ansatzes steigt. In Übereinstimmung mit diesen sich häufenden Beweisen kommt der Sechste IPCC-Sachstandsbericht zu dem Schluss, dass agrarökologische Prinzipien und Praktiken Ernährungssicherheit, Ernährung, Gesundheit und Wohlbefinden, Lebensgrundlagen und Artenvielfalt, Nachhaltigkeit und Ökosystemleistungen unterstützen.
Die Transformation von Ernährungssystemen mithilfe von agrarökologischen Prinzipien wird nicht leicht, da sie eine grundlegende Umstellung von Monokulturen, die durch die Anwendung umweltschädlicher Chemikalien aufrechterhalten werden, auf integrierte Produktionssysteme erforderlich machen, die häufig eher wissensbasiert als kapitalintensiv sind. Ein Großteil der Agrar- und Ernährungspolitik sowie die Praxis im Privatsektor ist auf Monokulturen mit hoher Bewirtschaftungsintensität ausgerichtet, sodass grundlegende Änderungen an Märkten und in der Regierungsführung erforderlich sind, um einen Wandel herbeizuführen. Dazu muss der vorherrschende Status Quo in Frage gestellt werden, was zweifelsohne ungemütlich werden wird. Es ist klar, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Doch es bleibt abzuwarten, ob Menschen und politische Entscheidungsträger mutig genug sind, die Transformation mit der nötigen Dringlichkeit anzugehen, um das Leben an Land zu erhalten und dem Hunger in der Welt ein Ende zu setzen.
Der Artikel basiert auf Daten, die aus diesen Quellen stammen.