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Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Gesundheit und Ernährung eng zusammenhängen. Mit der One-Health Initiative soll das Engagement und die interdisziplinären Zusammenarbeit in diesen Feldern weiter gestärkt werden. Wie das aussieht, welche Rolle die deutsche Politik dabei spielt und wo die Herausforderungen liegen, erklärt Dr. Maria Flachsbarth im Interview mit Silvia Richter (Rural 21)
Dieser Artikel erschien zuerst in Rural21 Vol. 54 No. 4/2020 zum Thema: One Health und ist Teil einer Medienkooperation zwischen weltohnehunger.org und Rural 21.
Frau Flachsbarth, Ihr Ministerium hat vor kurzem einen One-Health-Initiative ins Leben gerufen. Warum brauchen wir einen solche Initiative?
Die deutsche Regierung engagiert sich seit langer Zeit für eine Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin sowie dem Umweltbereich. Die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit wurde durch die globale Covid-19 Krise erneut deutlich. Daher haben wir beschlossen, dieses Engagement für One Health nochmals zu stärken und haben im BMZ eine neue Unterabteilung „Globale Gesundheit, Pandemieprävention und One Health“ gegründet. Ein neues Referat kümmert sich seit dem 1. August 2020 spezifisch um die One-Health-Themen. Damit erhöhen wir unsere Kapazität, interdisziplinäre Vorhaben in unseren Partnerländern zu unterstützen.
Heißt „stärkeres Engagement“ auch „mehr Finanzmittel“?
Die wachsende Bedeutung, die wir dem One Health Ansatz beimessen, wird auch durch die Bereitstellung von mehr Mitteln für Gesundheit, Pandemiebekämpfung und One Health unterstrichen. Wie viele Mittel genau, wird in diesen Tagen durch den Bundestag entschieden. Dazu kommen noch Beiträge zu multilateralen Initiativen im Gesundheitsbereich. Wir unterstützen z.B. allein den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) in den Jahren 2020-2022 mit 1 Milliarde Euro, damit sind wir beim GFATM viertgrößter Geber. Der One Health-Bereich ist noch recht jung und wird erst ausgebaut, deshalb sind Angaben zur Entwicklung noch nicht möglich. Hervorheben möchte ich aber schon mal zwei neue Vorhaben bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Wir werden ab Januar 2021 von einem Sektorvorhaben zu One Health beraten. Darüber hinaus werden wir ab 2021 ein Globalvorhaben zur Epidemie-/Pandemievorsorge mit einem One Health-Ansatz für drei Jahre finanzieren, um Partnerländer und -institutionen bei der Umsetzung des One Health Ansatzes gezielt zu unterstützen.
Denn es ist uns doch allen klar: Globale Probleme lassen sich auch nur global lösen.
Kern von One Health ist die Zusammenarbeit über Sektorgrenzen hinweg. Wie funktioniert das in der deutschen Politik konkret?
Die Bundesregierung hat vor kurzem die Strategie „Globale Gesundheit“ verabschiedet, die den One Health-Ansatz berücksichtigt. Explizit möchte ich zwei konkrete ressortübergreifende Maßnahmen mit One Health-Bezug der Bundesregierung nennen. Einmal die vom Bundesforschungsministerium (BMBF), Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Bundesverteidigungsministerium (BMVg) geförderte „Nationale Forschungsplattform für Zoonosen“. Das ist ein Informations- und Servicenetzwerk für alle in Deutschland aktiven Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich der Zoonosenforschung. Mit mehr als 1000 Mitgliedern ist sie eine etablierte Stütze der Zoonosenforschungs-Community in Deutschland. Zum Thema antimikrobielle Resistenzen (AMR) gibt es ebenfalls einen gemeinsamen Ansatz. Die Bundesregierung hat mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) dieses wichtige Thema aufgegriffen und entwickelt die DART weiter. Auch hier wollen wir als Bundesregierung gemeinsam handeln. In der Vergangenheit waren hier eher die Fachressorts (u.a. BMEL, BMBF und BMG) aktiv, aber wir als BMZ bringen uns immer stärker politisch als starker Akteur in unseren Partnerländern ein. Denn es ist uns doch allen klar: Globale Probleme lassen sich auch nur global lösen. Und durch unsere Arbeit mit und in unseren Partnerländern aber auch mit unseren multilateralen Partnern bringen wir wesentliche Erfahrungen ein.
Daneben gab es immer wieder zwischen einzelnen Ressorts gemeinsame Vorhaben. Von 2013 bis 2018 haben das BMBF und das BMZ zum Beispiel im Rahmen der Förderinitiative Globale Ernährungssicherung – GlobE – den Aufbau sechs deutsch-afrikanischer Forschungsnetzwerke für fünf Jahre gefördert.
Wissen wir genug über die Wechselwirkungen von menschlicher, tierischer und Umweltgesundheit?
Wir wissen schon sehr viel über das Zusammenspiel von Human- und Tiergesundheit. Nehmen wir nur das Beispiel der Zoonosen, also Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden, wie die Brucellose, die bovine Tuberkulose oder Tollwut. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren diese Krankheiten auch in Europa unsere Begleiter und für manche alltägliche Bedrohung. Auch Krankheiten, die durch den Verzehr von tierischen Lebensmitteln ausgelöst werden, wie Campylobacteriose oder Infektionen mit Salmonellen und E. coli, sind eine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Aber durch unser Wissen darüber und die konsequente Anwendung von Maßnahmen, vor allem im Bereich Lebensmittelsicherheit, sind manche Krankheiten, wie Brucellose oder Tuberkulose, in Europa kaum noch ein Problem. Sie sind es aber sehr wohl noch in unseren Partnerländern.
Wo es uns an Wissen mangelt, ist die Schnittstelle von menschlicher und tierischer Gesundheit zur Umweltgesundheit. Wir wissen, dass neue Gefahren in erster Linie aus dem Wildtierbereich drohen, so wie jetzt eben Covid-19. Mehr als 70 Prozent der neuen Erreger, darunter eine Vielzahl von Coronaviren (u. a. SARS-CoV-1&2, MERS-CoV), stammen aus Wildtieren. Leider wissen wir nicht, welche Erreger uns als nächstes gefährlich werden und wann das passieren wird. Wir brauchen also gute Präventions- und Frühwarnsysteme, was aber extrem aufwändig ist. Denn viele Wildtiere werden von den Mikroorganismen und Viren gar nicht krank, die bei uns dann Epidemien oder Pandemien auslösen können. Darüber hinaus fehlt es uns an Wissen über die Wechselwirkungen, die die Umwelt auf die Bereiche Human- und Tiergesundheit ausübt. Denken Sie nur an die Folgen des Klimawandels. Wir wissen zwar, dass das Klima einen großen direkten Einfluss auf die Gesundheit hat und auch die Ausbreitung von Krankheitsüberträgern, wie zum Beispiel Blut saugende Insekten (Vektoren), beeinflusst. Es wird wärmer, somit können sich Vektoren wie Mücken in neue Gebiete oder andere Höhenlagen ausbreiten und dort vormals nicht gekannte Krankheiten verbreiten, z.B. das Westnil-Virus, Chikungunya oder Malaria. Es gibt aber sicher viele Wechselwirkungen, die uns noch nicht bekannt sind.
Ausreichende Ernährung mit sicheren, also gesundheitlich unbedenklichen Nahrungsmitteln, ist natürlich die Grundlage für Gesundheit und Entwicklung.
Wo steht die Ernährungssicherheit in diesem Geflecht?
Ausreichende Ernährung mit sicheren, also gesundheitlich unbedenklichen Nahrungsmitteln, ist natürlich die Grundlage für Gesundheit und Entwicklung. Wir wissen aber auch, dass Nahrung nicht nur gesund sein muss, sie muss auch gesund produziert werden. Damit meine ich: Wir können Nahrung nur dann nachhaltig produzieren, wenn wir die Wechselwirkungen von Landwirtschaft mit der Umwelt berücksichtigen. Unser Ziel ist, eine engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der drei Sektoren Human-, Tier- und Umweltgesundheit und zudem der Landwirtschaft sowie den Bereichen Wasser und Abwasser zu erreichen. Kein Sektor schafft das mehr alleine.
Das bedeutet für uns auch, dass wir sektorale Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit noch viel stärker interdisziplinär zusammenführen werden. Zum Beispiel berücksichtigen wir in der nachhaltigen Landwirtschaft noch stärker Umwelt- und Ressourcenschutz, etwa durch Agrarökologie, und verbinden die Landwirtschaft mit Gesundheitsaspekten. Auf diese Art trägt der interdisziplinäre One Health-Ansatz zur Ernährungssicherheit bei – und umgekehrt.
Wo sehen Sie in den Partnerländern die größten Hürden in der Umsetzung dieses Ansatzes?
Viele unserer Partnerländer haben Krankheitsausbrüche, die interdisziplinäres Handeln erforderten, bereits erlebt: Ebola in Westafrika, Rifttalfieber in Ostafrika, SARS, MERS und Nipah in Asien. In unseren Partnerländern ist der One-Health-Ansatz also nicht neu, und das allgemeine Verständnis ist in vielen Ländern vorhanden.
Die größten Hürden sehe ich vor allem in der Abwesenheit von Strukturen, z. B. im Veterinärbereich. Oder bei der Umsetzung phytosanitärer Maßnahmen, also Maßnahmen, die die Einschleppung von invasiven Arten verhindern sollen. Fehlende Zulassungsstrukturen und Regelungen sind bei Pflanzenschutzmitteln und bei Arzneimitteln ein Problem. Wer achtet denn darauf, dass diese die Umwelt und Gesundheit nicht schädigen oder die Mittel richtig angewendet werden, damit keine Resistenzen entstehen? Wir müssen unsere Partner also dabei unterstützen, Strukturen aufzubauen und dabei den One-Health-Ansatz zu integrieren. Durch Netzwerkbildung können wir das auch weiter stärken. Manche Länder haben bereits One-Health-Strategien entwickelt – hier können wir auf jeden Fall voneinander lernen. Und natürlich ist Aufklärung wichtig, über die Risiken bestimmter Praktiken, aber auch über den Nutzen von One-Health-Maßnahmen. Denn Prävention ist immer besser als Behandlung.
Wenn Sie einen Vergleich mit dem Ausbruch von H5N1 oder auch SARS vor knapp 20 Jahren ziehen: Sind wir heute besser auf Pandemien vorbereitet?
Die Vogelgrippe H5N1 hat uns viel gelehrt. Sie war sicher ein Warnsignal und hat den Ausschlag für den Zusammenschluss der WHO, der FAO und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) zur Tripartite gegeben. Der One-Health-Ansatz war zu dem Zeitpunkt nicht neu, aber die Tripartite hat den One-Health-Gedanken fortgeschrieben und international verankert.
Frühwarnsysteme wie GLEWS (Global Early Warning System) sind unter der Tripartite entstanden, Surveillance-, Diagnose- und Informationssysteme sind verbessert worden und in Form von regionalen Netzwerken in Asien und Afrika verknüpft worden.
Diese Strukturen geben uns ein stark verbessertes Arsenal an „tools“, um mit neuen Ausbrüchen von Krankheiten mit Epidemie oder Pandemiepotenzial umzugehen. Aber klar ist auch: Jeder Erreger hat seine spezifischen Eigenschaften und ist damit neu für uns. Wir wissen nicht, wie wir ihn nachweisen oder behandeln können, und wir wissen auch nichts zur Epidemiologie oder zum Krankheitsverlauf. Insofern ist eine Lehre aus der Vergangenheit und aus der jetzigen Situation, dass wir uns auf das Unvorhergesehene vorbereiten müssen. Deshalb müssen wir in Strukturänderungen investieren: Prävention statt Bekämpfung von Krankheiten! Zum Beispiel durch bessere Hygiene und bessere Vorgaben und Kontrollen im Bereich Lebensmittelsicherheit, auch auf Tier- und Wildtiermärkten. Grundsätzlich müssen wir zur Entlastung der Gesundheitssysteme die Krankheitslast durch Infektionskrankheiten, einschließlich der „neglected tropical diseases (NTD)“, reduzieren.
Ich wage die Prognose, dass One Health in zehn Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit ganz selbstverständlich sein wird.
Gerade mit Blick auf die Bekämpfung von Zoonosen gibt es Konfliktpotenzial, etwa wenn es um die Nutzung von Wäldern – Stichwort: Nichtholzprodukte/Wildtierfleisch – geht. Wie kann hier ein Ausgleich der Interessen gelingen?
Hier müssen wir erst einmal unterscheiden zwischen einer nachhaltigen Nutzung von Wäldern und ihrer Produkte und der Überausbeutung und Zerstörung von Wäldern. Letztere sind auch mit Blick auf Zoonosen und ihre Verbreitung um vieles gefährlicher. Zwei Beispiele: Als in Westafrika Tropenwälder vernichtet wurden, siedelten sich Flughunde, die das Ebola-Virus übertragen, in der Nähe von Dörfern und Städten an und haben die Ansteckungen massiv beschleunigt. Oder die gnadenlose Bejagung des Schuppentieres, das als Überträger von Viren immer wieder im Gespräch ist. Es ist das weltweit am meisten gewilderte Tier und wird weltweit illegal gehandelt – mit den entsprechenden Ansteckungsrisiken für den Menschen. Die Liste könnte man mühelos fortsetzen. Das ist aber etwas ganz anderes als das, was der allergrößte Teil der indigenen Gemeinschaften weltweit macht. Diese nutzen die Wälder und ihre Produkte nachhaltig und betreiben allenfalls lokalen Handel damit. Auch verfügen sie über traditionelles Wissen, das sie einen behutsameren, vorsichtigeren Umgang gelehrt hat. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dieses Wissen mit modernem tiermedizinischem Wissen zu verbinden, um gemeinsam effektive Frühwarnsysteme für Wildtier-Zoonosen in Tropenwaldregionen zu schaffen und zu verbessern – und natürlich auch, um die indigenen Gemeinschaften, die als erstes von Ausbrüchen betroffen sein könnten, zu sensibilisieren und aufzuklären. Ich räume ein, dass das hier und da dazu führen kann, dass auch indigene Gemeinschaften Nutzungseinschränkungen hinnehmen müssen – zu ihrem eigenen Wohl und zu aller Wohl. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diesen Gruppen Einkommensalternativen anbieten. Hier ist die Entwicklungszusammenarbeit gefragt, und darauf hat sie auch Antworten.
Wo werden wir 2030 mit Blick auf die Umsetzung des One-Health-Ansatzes stehen?
Wenn wir so weitermachen, und davon bin ich überzeugt, dann werden wir in zehn Jahren einiges erreicht haben. Mit unserer jetzt verabschiedeten Initiativthemenstrategie One Health haben wir uns konkrete Ziele gesetzt. Diese wollen wir in den nächsten vier Jahren umsetzen. In dieser Zeit werden wir das Thema in unserer eigenen Arbeit verankern, aber auch im internationalen Kontext weiter vorangehen und One Health fördern. Denn One Health ist die konsequente Umsetzung der Agenda 2030. Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, Gesundheit und Schutz unserer Umwelt lassen sich nach meinem Verständnis nur mit einem ganzheitlichen Ansatz erreichen. Wir müssen unsere Lebensgrundlagen schützen und wir müssen Landwirtschaft nachhaltiger betreiben, und genau hier setzt auch One Health an. Ich wage die Prognose, dass One Health in zehn Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit ganz selbstverständlich sein wird.
Die Fragen stellte Silvia Richter.