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Im Erdboden afrikanischer Regionen ruhen Grundwasserressourcen. Wo macht deren Nutzung Sinn – und wo beginnt Raubbau an der Natur? Dr. Caroline Milow, Programmmanagerin in Usbekistan bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), und Ramon Brentführer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) über Potenziale und Lehren aus der Vergangenheit.
Was geht Ihnen spontan durch den Kopf, wenn Sie an Grundwasser denken – was ist das für Sie beide? Eine verlockende Wachstumschance oder bedrohtes Schutzreservoir?
Caroline Milow: Für mich ist es eine bedrohte Reserve. Eine, die man schützen muss. Und zwar nicht nur in ihrer Quantität, sondern auch in ihrer Qualität.
Ramon Brentführer: Für mich ist das ein Speicher für Wasserressourcen, mit dem man sorgfältig umgehen muss. Er gibt uns die Möglichkeit, Wasser geschützt über eine längere Periode verfügbar zu machen – und zwar in Zeiten, in denen wir Überschüsse an Niederschlägen haben, die im Untergrund gespeichert und in Trockenzeiten dann genutzt werden können. Also, es werden praktisch Trockenzeiten abgepuffert.
Frau Milow, wenn Grundwasser für Sie schon etwas Bedrohtes ist – woran liegt das? Hat Ihrer Meinung nach Grundwasser einfach eine schlechte Lobby? Man kann es ja einfach auch schlicht entnehmen.
Caroline Milow: Ich nehme mal die zentralasiatische Perspektive ein – dort arbeite ich zu Wassermanagement. Man weiß dort relativ wenig übers Grundwasser: Viele Messbrunnen gibt es nicht mehr, und der Einsatz von Grundwasser in der Landwirtschaft gestaltet sich oft so: Wenn es einen reichen Bauern gibt, der sich eine Bohrung und die großen chinesischen Pumpen leisten kann, dann bohrt er halt einfach, fragt nicht großartig und saugt das Wasser raus. Was aber den Leuten eben nicht klar ist: Es dauert eine lange Zeit, bis sich Grundwasser ansammelt. Ich habe neulich gelesen, dass das deutsche Grundwasser, das wir jetzt momentan für die Trinkwasserversorgung verwenden, hundert Jahre alt ist – und in Zentralasien sieht es ähnlich aus. Deswegen sollte man nicht einfach nur abpumpen, sondern sich eben überlegen, wann, wie, wo und ob das wirklich Sinn macht. In Zentralasien wird das Grundwasser auch eigentlich zur Trinkwasserversorgung dringend benötigt. Und das sollte Priorität haben. Für die Landwirtschaft kann man versuchen, auch andere Wege zu gehen und zu schauen, inwieweit man recyceltes Wasser zur Bewässerung nimmt.
Ramon Brentführer: Ja, es muss immer eine Priorität für Trinkwasser geben. Nicht ganz richtig ist indes Ihre Einschätzung beim Alter des Wassers: Grundwasser kann auch wenige Monate alt sein – zum Beispiel Uferfiltrat von Flüssen. Das ist relativ junges Wasser. Es gibt aber auch sehr altes Wasser. Das sind meistens Ressourcen, die in mehreren hundert Metern bis 1000 Metern Tiefe liegen und sich wenig oder auch gar nicht erneuern. Aber in flachen Grundwasserleitern tut es das. Und im Rahmen dieser Erneuerung ist es wie bei der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft: Nur weil Wälder abgeholzt werden, übernutzt werden, heißt es ja nicht, dass wir jetzt gar kein Holz mehr benutzen dürfen. Wir müssen hingegen schauen, dass wir aus den Wäldern so viel rausnehmen, wie auch wieder nachwachsen kann. Genauso müssen wir es auch mit dem Grundwasser machen.
Caroline Milow: Es besteht halt ein großer Unterschied zwischen den Weltregionen. In Zentralasien bildet sich Grundwasser langsam, die Gegend gehört zu den am stärksten wassergestressten Gebieten der Erde: Es regnet wesentlich weniger, weil der Klimawandel voll zuschlägt. Wenn es so weitergeht wie bisher, dann haben wir bis zu sechs Grad Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts in Zentralasien. Und dann ist natürlich Land unter in Bezug auf Grundwassererneuerung. Daher beginnen wir 2023 ein vom BMZ in allen fünf zentralasiatischen Staaten beauftragtes Wasserprojekt – regionales, klimasensibles Wasserressourcen-Management. Eine Komponente eben ist, den Stand des Grundwassers zu kartographieren und zu untersuchen.
Die Regionen mögen ja unterschiedlich sein, aber der Mensch ist es in der Regel nicht. Wie kann man dafür Sorge tragen, dass kein Missbrauch betrieben wird, dass kein reicher Bauer einfach hinkommt und sich unkontrolliert nimmt? Haben Sie Vertrauen, dass sowas ordentlich gemanagt werden könnte?
Ramon Brentführer: Nun, in humiden Regionen haben wir bislang weniger Probleme mit der Grundwassermenge als mit der Qualität. In Deutschland haben wir beispielsweise ein Problem mit der Wasserqualität; gerade in Landkreisen, in denen es extrem viel Schweinehaltung gibt – da ist auffällig viel Nitrat im Grundwasser. Und genauso haben wir dann eben ein Governance-Problem in Gebieten, in denen Wasser eine limitierte Ressource ist.
Deswegen müssen wir sehr differenzieren: In der MENA-Region, auch Zentralasien gehört dazu, aber auch Spanien oder der Mittlere Westen der USA, überall dort herrschen große Governance-Probleme mit dem Grundwasser, um diese Ressourcen vernünftig zu bewirtschaften.
Selbst in Industrieländern ist dies der Fall. Da muss man starke Institutionen haben, gute Wassergesetze und diese umsetzen.
Wie ist die Situation in der Subsahararegion?
Ramon Brentführer: Dort haben wir eben häufig kein Ressourcenproblem, das ist der große Unterschied zu diesen ganzen anderen Gebieten. Dort herrscht ein Zugangsproblem.
Wir wissen erstmal zu wenig darüber, wo die Ressource verfügbar ist, generell ist keine Technologie vor Ort, zu wenig Kapazität, um Bohrungen und damit den Zugang zum Wasser sicherzustellen.
Sind die Potenziale quantifizierbar?
Ramon Brentführer: In Subsahara gibt es kein Land, das bisher mehr als 25 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen nutzt. In vielen Ländern sind es sogar nicht einmal zehn Prozent. Das ist ein Wahnsinnspotenzial – in einer Region, in der im ländlichen Bereich 50 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sicherer Wasserversorgung haben, eine Region, in der bisher nur fünf Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen bewässert werden.
Caroline Milow: Das ist ein großer Unterschied zu Zentralasien, wo das Grundwasser eben schon überstrapaziert wird, wo 85 Prozent mehr Grundwasser entnommen wird, als es sein sollte.
Frau Milow, sehen Sie für Subsahara eine Chance, mit Grundwassermanagement verstärkt umzugehen?
Caroline Milow: Zu dieser Region habe ich weniger zu sagen, da ich mich seit zehn Jahren in Zentralasien aufhalte. Ich bin indes generell im Team Vorsicht, wenn es um natürliche Ressourcen geht – gerade weil in Zentralasien dazu ein Governance-Problem besteht. Da werden gerne mal schnelle Lösungen gesucht, um den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln. Und dann sind praktisch alle Mittel recht, damit die herrschende Klasse auch Erfolgsmeldungen hat. Umwelt wird im Wassermanagement weniger als ein wichtiger Stakeholder wahrgenommen.
Noch ist also nicht genau bekannt, welche Grundwasservorkommen es in den afrikanischen Regionen hat. Der erste Schritt wäre also ihre Erforschung?
Ramon Brentführer: Nein, man weiß ungefähr, welche Art von Grundwasserressourcen vorkommen. Und die unterscheiden sich auch zu denen in vielen anderen Regionen. Im subsaharischen Afrika gibt es häufig flache Grundwasserleiter.
Also geht es oft darum, mit Handpumpen einfach nur Wasser verfügbar zu machen, mit wenige Meter tiefen Brunnen. So können die Leute ihre eigenen Gärten bewässern, die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihre Felder.
Das ist auch der Unterschied zu Zentralasien und zum Aralsee, wo wir doch sehr industrielle Landwirtschaft haben. Im Horn von Afrika geht es jetzt gerade um Hungersnöte. Da braucht es Resilienz, die Chance zum Abpuffern.
Wie technisch herausfordernd wäre das?
Ramon Brentführer: Bautechnisch hält sich das in Grenzen. Man muss auf die Wasserqualität achten. Briten haben in den 80er Jahren in Bangladesch flache Grundwasserleiter über Handpumpen verfügbar gemacht, und daraus resultierten negative Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Aber die Technologie ist da. Die Frage ist eher: Wie kriegen wir sie vor Ort, wie kriegen wir die Kapazitäten, die Leute vor Ort ausgebildet, um diesen Brunnenbau zu betreiben und dann auch ein nachhaltiges landwirtschaftliches System zu etablieren? Es ist alles keine Raketenforschung, die man da betreibt. Die Herausforderung liegt eher im Zusammenspiel des Landwirtschaftssektors mit dem Wassersektor. Das ist in jedem Land wahrscheinlich etwas anders. Und die Finanzierung ist ein Faktor, um der ländlichen Bevölkerung überhaupt zu ermöglichen, Brunnen zu bohren.
Es gibt ja oft kaum die Möglichkeit für Kleinbauern, dort Kredite zu bekommen, um Brunnenbau zu betreiben.
Caroline Milow: Es muss erstmal gecheckt werden, ob es sich überhaupt lohnt, diese Reserven anzugehen. Wenn dies die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nur für ein paar Jahre unterstützen würde, drängt sich die Frage auf: Ist es nicht dann auch vernünftiger festzustellen, dass es in bestimmten Landstrichen eben wegen des Klimawandels nicht mehr sinnvoll ist, Landwirtschaft zu betreiben?
Ramon Brentführer: Ja, das lässt sich über Satelliten und globale Daten erkunden. Wir wissen ungefähr, wo welcher Niederschlag runterkommt. Und daraus kann man dann abschätzen, wie sich das Grundwasser erneuert. Zum Beispiel gibt es gewisse Potenziale in Ostafrika und im südlichen Sahel.
Frau Milow, was sind für Sie als Mitglied im Team Vorsicht beim Grundwassermanagement Ihre roten Flaggen?
Caroline Milow: Ich plädiere dafür, zuerst zu prüfen, welche landwirtschaftlichen Produkte wo Sinn machen. Ob man wieder auf alte endemische Sorten zurückgehen kann, auf Hirse und auf andere Pflanzen, die weniger Wasser brauchen. Ich denke, dass die Entwicklungshilfe und die europäisch geprägte Landwirtschaft mit dem Weizen viele Fehler gemacht haben. Wir müssen ein Gesamtsystem geraderücken. Es geht ja nicht nur ums Wassermanagement, sondern auch um Landmanagement. Für Zentralasien kann ich sagen, dass dieses sektorübergreifende Zusammenspiel, diese integrierten Ansätze sehr schwer in den fünf zentralasiatischen Republiken umzusetzen sind. Und ich kann mir vorstellen, dass es in afrikanischen Regionen auch nicht einfach ist. Es macht wenig Sinn, den Sektor der Wasserwirtschaft aus einer Siloperspektive heraus zu bearbeiten.
Herr Brentführer, wie kriegt man das hin? Wie sollte Ihrer Meinung nach ein konzeptioneller Rahmen für die Bewirtschaftung und für den Schutz gerade der Grundwasserressourcen aussehen?
Ramon Brentführer: Zunächst einmal muss Wasser in die Entwicklungsplanung der Länder integriert werden. Der Wassersektor muss tatsächlich mit den anderen Sektoren zusammenarbeiten. Wasser ist ja im Grunde ein dienender Sektor für viele Entwicklungsziele, da ist Ernährungssicherung eines von mehreren. Dann lassen sich auch Safeguard-Mechanismen einbauen, weil die Landwirtschaft ja im Grunde ein Interesse daran hat, langfristig zu wirtschaften.
Wenn es beim Grundwassermanagement dazu kommt, dass mehrere afrikanische Staaten miteinander kooperieren müssen – könnte das neue Probleme schaffen?
Ramon Brentführer: Klar, Spannungen können auftauchen, das sieht man zum Beispiel beim Nil. Ansonsten bekommt man das in den Griff. Im südlichen Afrika etwa gibt es wenig Wasser, aber mir sind keine Spannungen zwischen den Staaten bekannt. Das läuft ganz gut. Die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) schafft es, die Interessen der Länder auszugleichen. Das ist mit Sicherheit ein großer Kontrast zu Nordafrika. Auch bei den Regionen um den Tschadsee und das Nigerbecken gibt es wenig Wasser; aber kriegerische Auseinandersetzungen oder politische Spannungen um die Ressource Wasser sind eigentlich so nicht bekannt.
Caroline Milow: Es gibt sogar wissenschaftliche Untersuchungen, nach denen Wasser zur Zusammenarbeit positiv beisteuert. Es gibt weniger Beispiele für kriegerische Auseinandersetzungen wegen Wasser als positive Beispiele der Zusammenarbeit. Grundsätzlich ist Wasser eigentlich eher ein friedensgebendes Element.
Ramon Brentführer: Früher wurde vermutet, dass die Kriege der Zukunft um Wasser geführt werden. Das hat sich bisher nicht bewahrheitet. Auch zwischen Ägypten und Äthiopien, die bisher die größten Spannungen um Wasserressourcen haben, hat es keine kriegerische Auseinandersetzung gegeben.
Inwiefern hängen ländliche Entwicklung und Wassermanagement zusammen?
Ramon Brentführer: Im subsaharischen Afrika ist die Landwirtschaft wahrscheinlich die einzige Option für viele ländliche Regionen, sich zu entwickeln. Daher ist es unmittelbar mit dem Wasser verknüpft. Das Wasser bietet vielleicht die einzige Chance für viele Regionen, eine gewisse sozioökonomische Entwicklung durchzumachen.
Caroline Milow: Das ist in Zentralasien genauso. Wassermanagement ist das A und O, um die Leute in den ländlichen Regionen zu halten. So nutzt die Landwirtschaft Wasser auch effizient, damit genügend Wasser für andere Sektoren vorhanden ist und dort Arbeit geschaffen wird.
Ohne Wasser geht gar nichts in der ländlichen Entwicklung.
Ramon Brentführer: Wir sollten die Ressourcen und Potenziale, die wir haben, nutzen – um den Menschen in Afrika Perspektiven zu bieten, um Resilienz zu schaffen, mit großen Dürrekatastrophen und anderen Krisen auch zurechtzukommen. Da ist viel Potenzial drin. Krisen wie derzeit am Horn von Afrika passieren jetzt. Wir müssen Folgen und Risiken abwägen, aber auch schnell handeln. Und ich hoffe, dass wir in der Lage sind, auch mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag zu leisten.
Caroline Milow: Für mich ist vor allen Dingen wichtig, dass man es schafft, eine Brücke zwischen dem technischen Knowhow, eben der Wissenschaft, und den Gestaltern zu schlagen. Ich sehe halt leider oft, dass zwei Gruppen aneinander vorbeireden: Dass die wissenschaftliche Seite es nicht schafft, sich so verständlich auszudrücken, dass die politischen Entscheidungsträger es verstehen und machen. Ich sehe aber auch bei den politischen Entscheidungsträgern, dass die manchmal nicht verstehen wollen, weil sie eben schnelle Lösungen suchen. Mein Appell: Keine schnellen Lösungen zu unterstützen, sondern auch in der Entwicklungszusammenarbeit alle Stakeholder, alle Partner zusammenholen. Die schnelle Lösung ist in der Regel die schlechte Lösung. Für Reformen braucht es zuweilen Zeit, da dauert alles lieber ein Jahr länger – aber dann steht am Ende Nachhaltiges, und kein Schnellschuss, der nach hinten losgeht.