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Ritter Sport kennt jedes Kind in Deutschland. Die meisten Kinder, die auf westafrikanischen Plantagen Kakao ernten, haben dagegen noch nie Schokolade gegessen. Kann ein Schokoladenfabrikant die Welt ändern? Ein Gespräch mit Alfred Ritter über Macht und Ohnmacht eines Unternehmers.
Herr Ritter, Sie sprechen offen darüber, dass Sie Kinderarbeit in Ihrer Schokolade immer noch nicht ganz ausschließen können. Dieses Problem so anzusprechen ist mutig.
Alfred Ritter: Wieso sollte ich etwas leugnen, das nicht auszuschließen ist? Der größte Teil der weltweiten Kakaoexporte kommt aus Westafrika. Der Kakao von dort ist konkurrenzlos günstig, als Volumenhersteller können wir nicht darauf verzichten. Und dass in Westafrika auch Kinder auf Kakaoplantagen arbeiten, ist bekannt. Es gibt viele Kinder, die zur Arbeit gezwungen werden, oder schlimmer noch: Sie werden verkauft und leben dann wie Sklaven. Das ist ein generelles Armutsproblem, das es zu lösen gilt. Die Kakaoproduktion kann dazu einen Beitrag leisten, wenn sie unter menschenwürdigen Bedingungen stattfindet. In diese Richtung hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan.
Was genau?
Wir konnten lange nicht direkt bei Kakaoproduzenten einkaufen, sondern nur ü̈ber staatliche Stellen. Wir konnten deshalb nicht die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen kontrollieren. Es war alles sehr undurchschaubar. Doch durch den Regimewechsel vor sechs Jahren sind demokratischere Verhältnisse eingekehrt. Der Markt ist transparenter geworden, die Behörden lassen mehr Akteure zu, auch ausländische.
Was bedeutet das für Ihr Geschäft in Westafrika?
Wir können nun aus dem Land über zwei Partner nachhaltig zertifizierten Kakao direkt beziehen: über Fuchs & Hoffmann, ein deutsches Unternehmen, mit dem wir bereits langjährig zusammenarbeiten, und Cémoi, ein französisches Familienunternehmen. Dieser Kakao lässt sich bis zu den produzierenden Kooperativen rückverfolgen. Wir waren bereits auf den Plantagen und haben sie uns angesehen. So lässt sich natürlich garantieren, dass keine Kinderarbeit in der Schokolade ist.
Vor drei Jahren sagten Sie noch, Zertifizierungen seien Ihnen zu teuer, Sie wollten lieber selbst kontrollieren, wie der Kakao angebaut wird.
Das Angebot von zertifiziertem Kakao ist mittlerweile so gestiegen, dass wir diesen Bemühungen eine Nachfrage entgegen setzen wollen. Anfang 2017 haben wir einen Vertrag mit Trans Fair (Fairtrade) geschlossen, in dem wir uns verpflichten, innerhalb der nächsten drei Jahre mindestens zwanzig Prozent zertifizierten Kakao zu beziehen. Daneben erwerben und verarbeiten wir größere Mengen Kakao mit dem Zertifikat von UTZ. Wir gehen davon aus, dass wir noch vor 2020 eine Quote von 100 Prozent erreichen. Aktuell liegen wir noch bei rund 60 Prozent. Wir wollen auf die Rahmenbedingungen der Produktion auch über den Austausch und die Kooperation mit anderen Anbietern, NGOs, den Handel und die Politik Einfluss nehmen: im Rahmen des Forums Nachhaltiger Kakao und der World Cocoa Foundation. Diese Initiativen sind ein Grund dafür, dass sich auch in der Elfenbeinküste die Kakao-Produktion verändert.
Sie legen derzeit in Nicaragua eine der größten zusammenhängenden Kakaoplantagen der Welt an: 2500 Hektar. Kein anderer Schokoladenhersteller lässt sich auf die Risiken durch Klima oder Schädlingsbefall in der Landwirtschaft ein. Wie passt das mit ihren Plänen in der Elfenbeinküste zusammen?
Das ist kein Widerspruch. Sowas macht man nur, wenn man sehr langfristig plant. Wir wollen unseren eigenen Kakao produzieren, eigenes Know-how aufbauen, die Produktionsbedingungen selbst bestimmen. Aber das dauert. Der Aufbau einer Plantage setzt ein langfristiges Engagement voraus: Wir haben 2013 die ersten Wege angelegt, Setzlinge gepflanzt und können erst in diesem Jahr die erste kleine Ernte einfahren. Richtig relevant wird der Ernteertrag erst nach 2020. Das Projekt ist über Jahre ein Zuschussgeschäft.
Sie fahren vorläufig also zweigleisig. Aber die eigene Produktion ist der Idealzustand?
Ich bin überzeugt davon, dass Ritter Sport nur als Qualitätsmarke überleben kann. Kakao ist der zentrale Rohstoff für uns. Wenn ich nur kurzfristig Kosten und Nutzen der eigenen Produktion berechne, lohnt es nicht. Aber wenn ich die Sicherung der Qualität langfristig gewährleisten kann, macht die Investition Sinn. Wir haben jahrelang versucht, über Kooperativen von Kleinbauern genügend Kakao zu beziehen, der nach unseren Vorstellungen produziert wurde. Diese Bauern leben in den Bergen Nicaraguas und haben kleine Felder. Doch die Menge, die sie produzieren können, reicht nicht. Deshalb legen wir nun im Flachland nahe der Küste eine eigene Plantage an. Deren Erntemenge wird jedoch auch im Vollertrag ab 2022/2023 nicht unseren gesamten Bedarf decken können, weshalb wir weiter auch zertifizierten Kakao beziehen werden. Wir wollen jedoch über das reine Zertifikat hinaus Transparenz bis zum Ursprung in der Lieferkette.
Kakao ist ein Spekulationsobjekt geworden. Das ist schlecht für die Kakaobauern und für uns.
Die Kakaopreise schwanken seit Jahren. Sind Sie auch deshalb Plantagenbesitzer geworden?
Kakao ist ein Spekulationsobjekt geworden. Das ist schlecht für die Kakaobauern und für uns. Wir brauchen kalkulierbare Preise. Weil der Kakaopreis an der Börse schwankt, kann ich gar nicht genau sagen, ob sich meine Plantage wirtschaftlich lohnt oder nicht. Ein wenig vielleicht schon. Unsere Kosten für die Plantage dagegen sind immer die gleichen, ob der Preis nun nach oben oder unten weggeht. Kostenersparnis ist aber nicht unser Motiv.
Werden andere Hersteller Ihrem Beispiel folgen?
Das würde der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft wohl nie genehmigen. Die erwarten von ihrem Vorstandsvorsitzenden schnelle Gewinne. Der hat eine Amtszeit von formal fünf Jahren, oft werden sie sogar schon vorher ausgewechselt. Meine Familie hat bis heute dagegen eine Amtszeit von 102 Jahren.
Wie lange planen Sie voraus?
Eine Generation.
Sie haben bisher nicht das Argument angeführt, dass Sie die Lebensbedingungen der Menschen in Nicaragua verbessern wollen.
Das kommt noch hinzu. Mit Sklaven stellen Sie keine hohe Qualität her. Wer gute Produkte will, braucht Leute, die gut ausgebildet sind und ihre Arbeit gerne tun. Sonst sabotieren sie heimlich. Man schmeckt es der Schokolade an, ob es den Leuten gut geht.
Entwicklungshelfer kritisieren, dass Sie selbst die Plantage in Nicaragua besitzen und das Land nicht den Bauern vor Ort geben ...
Das ginge zu weit. Ich bin schließlich Unternehmer und dafür verantwortlich, dass sich unsere Aktivitäten rechnen. Wir sind seit 20 Jahren in Nicaragua engagiert und kaufen auch weiterhin Kakao von Kleinbauern. Wir haben auch manchmal mit Entwicklungshilfeorganisationen gearbeitet. Ich denke aber, dass ich weiter komme, wenn ich vor Ort Geschäftsbeziehungen aufbaue, den Leuten auf Augenhöhe begegne und ihnen nicht einfach etwas schenke.
Wie viel Bio-Schokolade haben Sie denn im Angebot?
Der Anteil ist sehr gering. Viel weniger, als ich mir erhofft hatte. Ich mag's gar nicht sagen.
20 Prozent?
Nein, es ist ein schlapper, einstelliger Betrag. Schokoladenkäufer achten nicht besonders auf das Biosiegel. Außerdem hat uns der Biofachhandel ausgeschlossen, weil wir mit dem normalen Lebensmittelhandel zusammenarbeiten. Und damit gehen wir am halben Markt vorbei.
Wird die Plantage in Nicaragua Bio produzieren?
Nein, wir wollen als Neulinge in der Landwirtschaft nicht dieses Risiko eingehen, zumal Kakao sehr empfindlich und die Plantage sehr groß ist. Wenn wir mal einen Schädling haben, wollen wir auch etwas tun können. Wir verfolgen einen Ansatz, den man integrierte Landwirtschaft nennt. Also möglichst wenig Einsatz von Chemie, dafür aber die Düngung des Bodens durch Abfallprodukte der Kakaofrucht. Wir forsten das Gelände gerade auf: Hohe Bäume sollen den Kakaopflanzen Schatten spenden. Das ist eine spannende Kombination, denn die Schattenbäume kann man irgendwann auch ernten und verkaufen. Zum Beispiel Mahagoni.
Waren Sie schon mal in der Elfenbeinküste?
Ein Mal, ja. Auch im großen Dom in der Hauptstadt, einer Kopie des Petersdoms. Darin ist eine Marienstatue: Wenn Sie in einem Abstand von 15 Metern vor der Statue stehen, sehen Sie sie lächeln. Gehen sie auf sie zu, guckt sie ganz traurig. Ich finde, der Künstler hat damit sehr gut sein Land und die Gegensätze zwischen Arm und Reich beschrieben.