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Lutz Hartmann hat sich mit der Pacht einer dreihundert Hektar großen Obstplantage in Äthiopien einen lang gehegten Traum verwirklicht: In Afrika ein eigenes Unternehmen zu führen. Nun geht ihn die Frage, wie sich Afrika entwickelt, auch persönlich an.
Herr Hartmann, Sie haben sich in Äthiopien Land gepachtet. Betreiben Sie Landgrabbing?
Hartmann: Das wurde mir schon vorgeworfen. Dann antworte ich, dass diese Plantage vor meinem Erwerb fünf Jahre lang nicht bewirtschaftet worden war. Der Vorbesitzer hat es wirtschaftlich nicht geschafft. Ich habe bei der Bank seine Hypothek aufgekauft und mittlerweile hundert Leute eingestellt, die vorher noch nie einen festen Job hatten. Es gibt in Äthiopien – und in vielen Teilen Afrikas - mehr ungenutztes als "gegrabbtes" Land.
Woran liegt das?
Das Erbrecht sieht z. B. die Realteilung vor: In einer Familie mit zehn Kindern wird das Erbe in zehn gleiche Teile aufgeteilt. Die meisten Parzellen sind aber ohnehin nur einen Hektar klein oder noch kleiner. Da bleibt im Erbfall so wenig, dass niemand davon leben kann. Viele der Erben müssen auf der Suche nach Jobs in die Stadt ziehen und so bleibt viel Land unbewirtschaftet. Die Brüder und Schwestern in der Stadt überschreiben aber auch nicht ihren Anteil an die Geschwister, die zurück bleiben. Das ist in ihrer Kultur nicht vorgesehen.
Lutz Hartmann nestelt sein Handy aus der Jackett-Tasche und zeigt Luftbilder von hektarweise brachliegendem Land in bester Lage um einen See.
Schauen Sie, so sieht es in vielen Ecken in Äthiopien aus. Die Gesellschaft wird nicht um die Diskussion herumkommen, wie Land anders unterteilt werden kann. Das ist normal. Auch in Deutschland gab es eine Flurbereinigung. Die Mikro-Parzellen werden nicht überleben können.
Kleinbauern müssen also an die Großen verkaufen?
Ich rede gar nicht generell von Verkaufen. Man kann Land auch zusammenlegen, um es wirtschaftlich zu nutzen. Oder zusammenarbeiten. Meine Plantage ist für die umliegenden Bauern wie ein Hub. Auf dem lokalen Markt bekommen sie umgerechnet nur 15 Cent für das Kilo Papaya. Auf dem weiter entfernten regionalen Markt bekommen sie 80 Cent. Um den zu bedienen brauchen sie aber Kühlhäuser und Lastwagen. Die haben sie nicht, weil kein Bauer mit weniger als einem Hektar Land die nötigen Investitionen aufbringen kann. Also können sie meine Infrastruktur nutzen, ich verkaufe für sie Papaya, und sie bezahlen für meine Dienstleistung, bekommen aber immer noch mehr als vorher.
Das Aufkaufen von Land durch Investoren aus China, Europa, den arabischen Ländern und USA geht also in Ordnung?
Es gibt durchaus problematische Formen des Landgrabbings. Wobei das auch nur geht, weil die Regierungen diese enorm großen Ländereien verkaufen. Eine Privatperson hat überhaupt nicht so viel Fläche zu verteilen. Leider ist der Reiz des schnellen Geldes oft zu groß
"Afrika hat ein Riesenpotenzial und einen Bedarf an Investitionen in Milliardenhöhe!"
Regierungen in Afrika verkaufen Land ans Ausland, weil unter der Hand jemand profitiert?
Ich habe keine Beweise. Aber auch keine Gegenbeweise. Es kommt letztlich auf einen nachhaltigen Mix von Farmern an, die sowohl die lokalen, die regionalen und internationalen Märkte bedienen können. Der äthiopische Markt ist durchaus attraktiv. Ich verkaufe Tomaten, Chili, Kohl und Zucchini bisher nur im Land selbst. Der Export und damit Zoll, Transport und Zeitverluste sind für mich noch zu kompliziert, wird aber irgendwann hinzukommen, alleine zur Risikoverteilung.
Investitionen in die Landwirtschaft in Afrika lohnen sich also?
Unbedingt! Sonst hätte ich es nicht gewagt. Afrika hat ein Riesenpotenzial und einen Bedarf an Investitionen in Milliardenhöhe – in Landwirtschaft ebenso wie Energie- und Wasserversorgung, Straßen, Flughäfen. Auch Länder wir Kenia, Senegal, Nigeria, die Elfenbeinküste sind sehr dynamische Volkswirtschaften.
Die deutsche Wirtschaft hält sich aber mit Investitionen zurück, in der Landwirtschaft und in anderen Branchen. Welche Faktoren verhindern mehr Engagement?
In der Verwaltung in afrikanischen Ländern sitzen oft Menschen, die wenig Verständnis für die Bedürfnisse von Investoren haben. Sie kennen sich mit etlichen Gepflogenheiten der Geschäftswelt nicht aus. Manchmal fordern die Behörden in Addis Abeba zum Beispiel meinen Partner und Co-Geschäftsführer Oliver Langert auf, am nächsten Tag ein Dokument persönlich einzureichen. Das sind 450 Kilometer auf schlechten Straßen, 450 hin und 450 zurück. Da gehen zwei Tage drauf, an denen die Plantage ohne Geschäftsführer auskommen muss. Denn die Behörde in Addis will, dass der Geschäftsführer höchstpersönlich das Dokument überreicht, nicht etwa ein Stellvertreter. Auch unsere äthiopischen Mitarbeiter haben eine andere Art, mit Problemen umzugehen, als wir das in Deutschland gewohnt sind: Als unserem Buchhalter die Tinte ausging, hat er drei Wochen lang keine Rechnungen unterzeichnet – statt mich aufzufordern, für 50 Cent neue Tinte zu kaufen. Er hat in der Zeit lieber meine Kritik über die schleppende Buchhaltung eingesteckt, als mir den eigentlichen Grund zu verraten und mich aufzufordern, meine Mitarbeiter mit den erforderlichen Produktionsmitteln auszustatten.
"Die Äthiopier sind irre kreativ. Es wird so lange rumgetüftelt, bis das Auto wieder fährt."
Was lässt sich tun?
Bildung, Bildung, Bildung. Aber wie gesagt: Nicht nur formale Bildung. Es geht um das Verständnis von Geschäftsgepflogenheiten. Das lernt man am besten im Betrieb.
Potenzial wäre da?
Auf jeden Fall – die Äthiopier sind irre kreativ. Wenn ich in Deutschland für mein kaputtes Auto nicht genau das Original-Ersatzteil habe, kann ich es verschrotten lassen. In Äthiopien wird so lange rumgetüftelt, bis das Auto wieder fährt. Egal mit welchen Teilen.
Der "Marshall-Plan mit Afrika" des Bundesentwicklungsministeriums sieht gemeinsame Anstrengungen von staatlicher Seite und der Privatwirtschaft vor, in Afrika wirtschaftliche Impulse zu setzen. Duale Bildung wäre doch ein gutes Feld für die Umsetzung, oder?
Der Gedanke für den Marshall-Plan ist zuerst mal gut – weil er die Privatwirtschaft ins Zentrum rückt, was zuvor kein beliebtes Thema in der Entwicklungspolitik war. Da galt die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft als verpönt. Ich bin davon überzeugt, dass nachhaltige Entwicklung nur über die Entfaltung des Privatsektors in Afrika möglich ist und Entwicklungspolitik genau da ansetzen muss. Allerdings ist der Marshall-Plan aus Sicht des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft noch zu vage. Mit welchen Mitteln sollen diese Dinge umgesetzt werden? Ziehen die Abteilungen im Ministerium durch, was der Minister vorgibt? Zieht die Wirtschaft mit? Da gibt´s noch viele offene Fragen.
Und: Wird die Wirtschaft mitziehen?
Schauen Sie: Afrika ist ein schwieriger Markt. Die Bedingungen für Zuwendungen, wie sie vom Ministerium vorgegeben werden, machen die Sache nicht einfacher. Ich muss meine Kernkompetenz als Unternehmer verlassen, um eine Investition gefördert zu bekommen, zum Beispiel wenn ich zusätzlich zu der Tätigung der Investition auch bestimmte, politisch definierte Zielgruppen fördere, also z.B. Frauen ausbilden soll. Das ist ja an und für sich gut. Aber wenn mir der Hagel grad die Ernte zerstört hat, dann muss ich all meine Kraft auf mein Kerngeschäft konzentrieren. Deshalb bin ich nicht sicher, ob die Wirtschaft mitzieht, wenn zu viele Bedingungen für eine Förderung gestellt werden.
Wie könnte ein interessantes Angebot aussehen?
Zum Beispiel könnten das Ministerium Unternehmen und Azubis fördern und bei der Verwaltung/Ausbildung unterstützen, wenn ein Unternehmen in einer Region eine Fabrik aufmacht, in der diese ausgebildet werden können. Das ist praxisnäher und näher an einem konkreten Bedarf als rein schulische Angebote.
Haben Sie in ihrem eigenen Unternehmen Beispiele von Mitarbeitern, die sich über die praktische Arbeit weiter entwickelt haben?
Unsere erste Service-Angestellte war eine sehr schüchterne Person, als wir sie einstellten. Mittlerweile ist sie unsere Schatzmeisterin. Sie hat schnell gelernt, unser Vertrauen gewonnen und durch ihre neue Arbeit auch eine starke Persönlichkeitsentwicklung durchlaufen: Sie tritt viel selbstbewusster auf. Ein toller Wandel. Solche Leute machen mir Mut.