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Die Welt erlebt derzeit eine historische Ernährungskrise. Hohe Düngemittelpreise sind Teil des Problems. Neben den notwendigen kurzfristigen Hilfsmaßnahmen sollte die Krise genutzt werden, um längerfristige Düngungsstrategien für nachhaltige, insbesondere kleinbäuerliche Produktionssteigerungen im globalen Süden zu entwickeln.
Dieser Beitrag erschien zuerst als Newsmeldung in der Rural21 und ist Teil einer Medienkooperation zwischen Rural21 und foodfortransformation.org
Die Mehrheit der insgesamt über 800 Millionen an Hunger leidenden Menschen lebt in kleinbäuerlichen Haushalten. Solange diese Menschen nicht auf agrarunabhängige Tätigkeiten ausweichen können, was für die meisten auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist, bleibt die Steigerung ihrer Anbau- und Arbeitsproduktivität der wichtigste Weg zu mehr Einkommen und damit zu Nahrung für die Mehrheit der Hungernden. Gleichzeitig ist die Intensivierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ein Beitrag zu mehr Nahrungsmittelverfügbarkeit und mehr Stabilität, zu wirtschaftlichem Wachstum insbesondere in ländlichen Regionen und zur Verringerung des Flächendrucks in Naturreservaten. Das Hauptargument ist, dass es das Einkommen und nicht die Nahrungsmittelproduktion per se ist, welche die Ernährungssicherheit der Menschen sicherstellt. Natürlich spielen für eine widerstandsfähige Lebensgrundlage auch weitere Mechanismen eine Rolle, wie Diversifizierung, Zugang zu Finanzdienstleistungen und stabile Lebensmittelmärkte.
Für eine erhöhte landwirtschaftliche Produktivität ist eine bessere Verfügbarkeit von Pflanzennährstoffen entscheidend. Bisher spielte in der modernen Landwirtschaft der Mineraldünger dabei eine dominierende Rolle. Einigen Schätzungen zufolge sind rund 40 Prozent der weltweiten Ertragssteigerungen allein auf den verstärkten Einsatz von mineralischem Stickstoff, dem wichtigsten Pflanzennährstoff, zurückzuführen. Es ist schwierig, den Beitrag anderer Makronährstoffe - Phosphat und Kalium - sowie von Mikronährstoffen wie Bor, Eisen oder Zink getrennt von dem des Stickstoffs zu betrachten, wobei Mikronährstoffe bei höherwertigen und empfindlichen Gemüse- und Obstsorten sowie für die Pflanzengesundheit und -qualität besonders wichtig sind. Hinzu kommt der Kalk, der häufig zugesetzt wird, um den pH-Wert und damit die Nährstoffverfügbarkeit des Bodens zu erhöhen. Alles in allem sollen Mineraldünger bis zu 60 Prozent des modernen Produktionsfortschritts ausmachen, in der Regel in Verbindung mit modernen Pflanzensorten, die für eine höhere Aufnahme und Verwertung in der Pflanze und die damit einhergehende Veränderung der Pflanzengesundheit notwendig sind.
Angesichts der großen Bedeutung von Mineraldüngern ist es nicht verwunderlich, dass die Korrelation zwischen den internationalen Düngemittel- und Nahrungsmittelpreisen in der Vergangenheit sehr ausgeprägt war. Auch die aktuelle Lebensmittelpreiskrise hat eine Düngemittelkomponente. Seit Mitte 2020, also schon vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sind die Düngemittelpreise stark gestiegen. Zu Beginn des Krieges haben die Preise noch einmal stark angezogen und liegen jetzt – Mitte Mai 2023, zwar wieder auf Vorkriegsniveau, aber immer noch doppelt bis dreifach so hoch wie vor 2020. Wie groß der Beitrag der Düngemittelpreise zum Anstieg der Nahrungsmittelpreise und zum Hungerproblem tatsächlich ist, lässt sich nur schwer in Zahlen ausdrücken, da dieser Zusammenhang von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, die sich gegenseitig beeinflussen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Düngemitteleinsatzes variiert in Abhängigkeit vom jeweiligen Standort, der Kultur und der Düngemenge. Je weniger gedüngt wird, desto höher sind tendenziell die Ertragsverluste nach dem Gesetz der abnehmenden Ertragssteigerung. Darüber hinaus ändern sich auch andere relevante Preise, insbesondere der Energiepreis, der in verschiedenen Formen für die Produktion, die Verarbeitung, die Lagerung und den Transport von Düngemitteln und landwirtschaftlichen Produkten eine wichtige Rolle für die Lebensmittelpreise spielt. Die gemeinsame Korrelation der globalen Energie-, Düngemittel- und Nahrungsmittelpreise ist sehr eng.
Starke Preisschwankungen sind für die Landwirte sehr problematisch. Schließlich müssen sie den Dünger im Voraus bezahlen, zu einem Zeitpunkt, an dem sie nicht wissen, wie die Agrarpreise nach der Ernte aussehen werden.
In Ländern des Globalen Südens und bei Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wird die Düngemittelpreiskrise durch eine Reihe von Faktoren noch verschärft: Selbst wenn die Preisrelationen ein Anreiz sind, mehr zu produzieren, können die Landwirte die höheren Düngemittelkosten kaum mit ihren eigenen Rücklagen bezahlen, und selbst wenn sie Zugang zu Krediten haben, sind diese sehr teuer. Zudem sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus verschiedenen Gründen besonders risikoavers und Versicherungen und Preisabsicherungen sind in Ländern des Globalen Südens praktisch nicht vorhanden. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern gehen also im Mittel weniger Risiken ein und setzen am ehesten weniger Dünger ein. Da ihr Düngemitteleinsatz in der Regel sehr gering ist (der afrikanische Durchschnitt liegt beispielsweise unter 20 kg/ha, verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt von ca. 140 kg/ha), sind die Ertragseinbußen bei sinkendem Düngemitteleinsatz besonders hoch. Dies erklärt, warum der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank im Mai 2022 davor warnte, dass der Mangel an Düngemitteln zu einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion auf dem Kontinent um 20 Prozent führen könnte.
Um trotz der geschilderten Komplexität eine grobe Einschätzung der Auswirkung der aktuellen Düngemittel-Krise zu wagen, sei eine kürzlich im Fachblatt NatureFood erschienene Studie zitiert, die in einer Modellrechnung die Effekte von Düngerkosten und Handelsrestriktionen zu isolieren versuchte: „Wir zeigen, dass landwirtschaftliche Betriebsmittelkosten und Lebensmittelexportbeschränkungen zusammengenommen die Lebensmittelkosten im Jahr 2023 um 60 bis 100 Prozent gegenüber dem Niveau von 2021 erhöhen könnten, was zu einer Unterernährung von 61 bis 107 Millionen Menschen im Jahr 2023 und zu jährlichen zusätzlichen Todesfällen von 416.000 bis 1,01 Millionen Menschen führen könnte, wenn die damit verbundenen Ernährungsmuster beibehalten werden. Darüber hinaus würde eine geringere Intensivierung der Landnutzung aufgrund höherer Einsatzkosten zu einer Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen und einem damit verbundenen Verlust an Kohlenstoff und biologischer Vielfalt führen.“
Einzelne Regierungen und die Weltgemeinschaft haben verschiedenste Maßnahmen ergriffen, um die derzeitige Ernährungskrise abzumildern. Allein die Weltbank kündigte im April 2022 an, "dass sie über einen Zeitraum von 15 Monaten bis zu 30 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen wird, davon 12 Milliarden Dollar für neue Projekte". Zu diesem Zweck hat der International Monetary Fund (IWF) zusätzlich zur Unterstützung aus bereits bestehenden Finanzierungslinien ein neues “food shock window under the emergency financing instruments” eingerichtet.
Die aktuelle Krise hat zudem die schon zuvor erhitzten Debatten über eine Transformation der landwirtschaftlichen Produktion bzw. des globalen Ernährungssystems weiter angeheizt. Das betrifft in besonderem Maße die Rolle von externen Düngemitteln. Für Kritiker*innen sind die in manchen Regionen sehr hohen Düngergaben ein Synonym für eine ökologisch nicht nachhaltige „industrielle“ Landwirtschaft – verbunden mit Eutrophierung von Gewässern, Überschreiten planetarer Grenzen, Treibhausgasemissionen, Degradierung der Bodenqualität. Für Befürworter*innen dieser Form der Landwirtschaft sind hohe externe Düngergaben nicht nur zentrales Mittel für hohe Erträge, sondern auch ein Mittel, die Degradierung von Nutzflächen durch Nährstoffentzug und die Ausdehnung der Nutzflächen zu begrenzen, womit sie zum Erhalt von Biodiversität außerhalb der Nutzflächen beitragen.
Obwohl beide Sichtweisen gute Argumente haben, ist die wissenschaftliche Schlussfolgerung, dass für eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion die Nährstoffe, die dem Boden mit der Ernte entzogen werden, dem Boden wieder zugeführt werden müssen, sei es auf natürlichem Wege durch Bodenverwitterung, Sedimente und die Atmosphäre oder durch menschliche Eingriffe in Form von organischem und/oder mineralischem Dünger. Diese Gleichung enthält viele Variablen, die von Standort zu Standort variieren – wie Bodenqualität und Nährstoffmobilisierung, externe Einträge aus der Atmosphäre oder der natürlichen Umwelt über die Tierhaltung, Stickstoffanreicherung durch Leguminosen aus Ackerbau oder Agroforstwirtschaft, der Grad der Nährstoffkreisläufe in den Betrieben, aber auch Verluste durch unlösliche Fixierung im Boden, Auswaschung und Ausgasung. Von großer Bedeutung ist auch der Grad der überbetrieblichen Vermarktung. Je mehr Produkte den Betrieb verlassen und auf den Markt gelangen, desto mehr wird der innerbetriebliche Kreislauf gestört und desto mehr Nährstoffe müssen von außen zugeführt werden, um die Nettoverluste auszugleichen.
Marktproduktion ist jedoch für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ein wesentliches Element, um Armut zu überwinden und höhere Einkommen zu erzielen, die eine akzeptable Lebensqualität ermöglichen. So liegen die Erträge in Subsahara-Afrika meist unter 20 bis 30 Prozent der Erträge nach guter landwirtschaftlicher Praxis, und selbst bei dieser geringen Flächenproduktivität ist die Nährstoffbilanz meist negativ. Mit steigender Flächenproduktivität und zunehmendem Vermarktungsgrad kann daher außer auf sehr fruchtbaren und tiefgründigen Böden nicht gänzlich auf eine externe Nährstoffzufuhr verzichtet werden. Die Höhe dieser Zufuhr und die Herkunft der Nährstoffe können jedoch einen großen Unterschied sowohl für die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Versorgung und damit die lokale Resilienz als auch für die Kosten und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte machen.
Langfristig ist eine am Netto-Nährstoffentzug orientierte Düngung mit möglichst geringen Verlusten erstrebenswert, die mit einer Steigerung der Erträge und der Arbeitsproduktivität der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern einhergeht.
Um dies zu erreichen, sind die folgenden Maßnahmen erforderlich:
Umverteilung der Düngeintensität und Aufbau einer (sauberen) Düngemittelindustrie. Für die Nährstoffentzüge, die nicht durch die nachfolgend beschriebenen Praktiken geliefert werden können, werden synthetische (so werden aus Luftstickstoff hergestellte Stickstoff-Dünger oft bezeichnet) und mineralische (aus Abbau von Bodenrohstoffen hergestellte Dünger und die Mischungen aus diesen mit synthetischem Stickstoff) weiterhin notwendig sein. Während die Produktionsmengen in vielen Industrieländern viel zu hoch sind, sind sie in den ärmeren Ländern und bei den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Regel zu niedrig. Daher ist eine globale Umverteilung der Düngeintensität vom globalen Norden in den globalen Süden notwendig. Weitere Informationen darüber, welche Herkunft von synthetischem Stickstoffdünger wünschenswert ist, finden Sie weiter unten.
Um die Treibhausgasemissionen insbesondere von Stickstoffdüngern zu reduzieren, kann langfristig die Entwicklung einer Synthese von grünem Wasserstoff angestrebt werden, auch wenn die dafür notwendigen Verfahren selbst unter Berücksichtigung der aktuellen Gaspreise noch deutlich teurer sind.
Aber nicht nur die Anwendung, sondern auch die Produktion von Mineraldünger sollte im Globalen Süden gefördert werden. Die Krise hat gezeigt, dass die Abhängigkeit von einigen wenigen Lieferländern zu groß ist. Nun gibt es Bestrebungen, in Afrika eine eigenständige Düngemittelindustrie aufzubauen und die dortigen natürlichen Ressourcen, vor allem Gas und Rohphosphat, zu nutzen.
Steigerung der Energieeffizienz. Durch eine geschickte Wahl der Anbaufolge, den richtigen Ausbringungszeitpunkt und die richtige Einarbeitung der organischen und anorganischen Düngemittel in den Boden können Nährstoffverluste verringert werden. Eine große Hoffnung ist die Einführung bzw. Verbesserung der Präzisionslandwirtschaft - durch die genaue Platzierung des Düngers unter der Bodenoberfläche, abgestimmt auf den jeweiligen Versorgungsbedarf der Pflanzen. In großen, mechanisierten Betrieben kann dies mit Hightech erreicht werden, mit Satelliten- und Computersteuerung der Maschinen, in kleinen Betrieben mit manueller Anwendung des Düngers während oder nach der Aussaat. Die Beschichtung oder chemische und biologische Modifizierung der Düngemittel mit dem Ziel, die Ausbreitung der Nährstoffe zu verzögern und die Aufnahme zu verbessern, soll dazu beitragen, Verluste zu verringern und die Effizienz zu steigern.
Verbesserung der Bodenqualität. Um die Nutzung der im Boden vorhandenen und zugeführten Nährstoffe zu optimieren, sind die Aktivierung des Bodenlebens und die Erhöhung der organischen Substanz im Boden entscheidend. Einige tropische Böden nehmen Düngemittel ohne solche zusätzlichen Maßnahmen vollständig auf, während dies bei den meisten anderen Böden die Nährstoffversorgung und -speicherung verbessert. Dies kann durch die zeitliche und/oder räumliche Staffelung des Anbaus verschiedener Kulturen, durch die Integration von Ackerbau und Viehzucht, durch die Zugabe biologischer Substanz (Reststoffe) usw. erreicht werden. In letzter Zeit wird auch viel mit der mikrobiellen Aktivierung des Bodens und der Wechselwirkung zwischen Pflanze und Boden experimentiert. Viele Methoden, die größere Mengen an organischer Substanz benötigen, erfordern jedoch eine Umstellung der Bewirtschaftungssysteme und sind mit Investitionen verbunden, die häufig alles andere als geringfügig sind. Für größere Betriebe sind mechanisierte Verfahren eine Voraussetzung. Bei kleinen Betrieben sind manuelle Verfahren erforderlich, die jedoch sowohl die Spitzen im Arbeitseinsatz als auch die Arbeitsbelastung berücksichtigen müssen, denn auch in den kleinsten Betrieben gibt es zu bestimmten Zeiten Arbeitskräfteengpässe. Für Verfahren mit tierischen Düngern sind entsprechende Tierbestände und deren Futtermittelversorgung Voraussetzung.
Anbau von Leguminosen. Der Anbau von Leguminosen ist eine besonders häufig genannte Form der Substitution von Mineraldünger und der Verbesserung des Bodenlebens. In Verbindung mit Bakterien können diese Pflanzen Luftstickstoff binden und je nach Anbaumethode auch wertvolle Subsistenz- und Marktfrüchte sowie Futtermittel liefern. Allerdings sind Leguminosen nicht immer leicht in den Betrieb zu integrieren. Sie sind oft krankheitsanfällig und schwer zu lagern, als Bäume und Sträucher konkurrieren sie schnell mit anderen Kulturen um Wasser, Licht und Nährstoffe, ihre grüne Masse muss auf die Felder gebracht oder innerhalb des Betriebes transportiert werden und ihre Vermarktung steht in Konkurrenz zu importierten Produkten, vor allem Soja. In ferner Zukunft ist es denkbar, dass die Stickstofffixierung bei Nicht-Leguminosen über die Gentechnik möglich wird, was die Anpassung erleichtern würde, aber Herausforderungen hinsichtlich der biologischen Sicherheit und der Zulassung mit sich bringt.
Bewässerung. Im Gartenbau ist die Kombination von Bewässerung mit der Ausbringung löslicher Düngemittel eine bewährte Methode, um Nährstoffe wirksam zu verteilen, obwohl sie auch mit erheblichen Investitionen sowie Wasserentnahme und -verschmutzung verbunden ist. Sie wird daher eher eine (größere) Nischenlösung bleiben.
Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Langfristig müssen auch Anstrengungen unternommen werden, um nicht nur die Nährstoffkreisläufe in den Betrieben zu verbessern, sondern auch die Rückführung der Nährstoffe zu ermöglichen, die bei der Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte die Betriebe verlassen. Auch dies ist keineswegs trivial, denn es gibt zahlreiche gesundheitlich-hygienische, logistisch-wirtschaftliche, rechtliche und psychologische Hindernisse. Denn ein Großteil der Nährstoffe ist in den menschlichen Fäkalien enthalten. Diese sind mit Schadstoffen angereichert, stinken, verursachen Ekel, sind wässrig und in frischem Zustand sperrig zu transportieren. Es müssen Wege gefunden werden, die Stoffe zu trennen, anzureichern und akzeptierte Produkte herzustellen. Dies kann auf lokaler Ebene in Form von organischem Dünger geschehen, der den Böden auch wieder Stickstoff und organische Substanz zuführen kann. Zum Teil müssen hohe Hürden hinsichtlich möglicher Gesundheitsgefahren überwunden werden, und eine Teillösung könnte die Beschränkung der Anwendung auf Non-Food-Kulturen sein. Für längere Transportwege muss die Nährstoffkonzentration erhöht werden, z.B. durch die biologische oder chemische Extraktion einzelner Nährstoffe. Im Falle von Phosphat ist dies in den letzten Jahren bereits in technologisch großem Umfang gelungen, wobei die Entwicklung von der Befürchtung getrieben wurde, dass dies der erste Stoff sein könnte, der weltweit knapp wird. Diese Befürchtungen haben sich inzwischen zerstreut, was ein Grund dafür ist, dass die Verfahren noch nicht wirtschaftlich sind.
Wie dargelegt, müssen die jeweiligen langfristig tragfähigen Düngestrategien auf die Standortgegebenheiten zugeschnitten sein und können nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Auf die einzelnen Anbausysteme zugeschnittene Maßnahmenbündel erfordern noch einen erheblichen Forschungsaufwand und eine lokale Anpassung in Zusammenarbeit mit den Landwirten selbst. Für viele Maßnahmen müssen Märkte erschlossen und Lieferketten aufgebaut werden, was eine enge Zusammenarbeit mit dem Privatsektor erfordert. Für Düngemittel und neue Betriebsmittel sowie Arbeitskräfte müssen die Landwirte kurzfristig große Investitionen tätigen, für Mechanisierung und Betriebsumstellungen auch langfristig. Dazu benötigen sie Kapital und, um sich gegen Risiken abzusichern, möglichst auch Versicherungen sowie Sparmöglichkeiten. Hier sind Unterstützungen der ländlichen Finanzsysteme wichtig.
Auf längerfristige, dauerhafte Subventionen sollte aus ökonomischer Sicht möglichst verzichtet werden, da sie meist falsche Anreize setzen und erhebliche Kosten sowie Risiken für den Staatshaushalt bedeuten. Dies zeigt sich derzeit bei den Subventionen für mineralische Düngemittel, die in vielen Ländern Sub-Sahara-Afrikas nach dem Vorbild Malawis der früher 2000er Jahre eingeführt wurden. Dort wurden zwischenzeitlich fast 20 Prozent des gesamten Staatshaushalts dafür aufgewendet. Bei den derzeit hohen Preisen ist dies nicht aufrechtzuerhalten, und selbst in normalen Zeiten absorbieren sie so viele Mittel, dass für Forschung und Investitionen für die oben genannten und anderen Herausforderungen im Agrarsektor kaum etwas übrigbleibt. Außerdem kommen viele der subventionierten Dünger über den Schwarzmarkt eher wohlhabenderen Betrieben zu Gute, weil die ärmsten sie wegen dringender Liquiditätsmängel oft schnell verkaufen. Langfristige Subventionen sind zwar nicht nachhaltig, aber in der aktuellen Hochpreisphase sind kurzfristige Subventionen als Übergangsinstrument zur Bewältigung der Krise geeignet.
Die aktuelle Krise bietet die Gelegenheit, Düngungsstrategien zu entwickeln, die die langfristigen Alternativen ins Visier nehmen, und die nicht-nachhaltigen Subventionen wo nötig zwar kurzfristig hoch-, aber längerfristig zurückzufahren. Für die Länder Subsahara-Afrikas, gilt es, die Mittel möglichst effektiv und effizient einzusetzen – sie haben nicht die Option der reichen Industrieländer, kostspielige Subventionsstrategien zu fahren. Die EU sollte solche lokalen Strategien mittragen und nicht die eigenen Nachhaltigkeitsprobleme unreflektiert auf die Länder des Globalen Südens übertragen.
Die Bemühungen um langfristige Düngemittelstrategien mögen mühsam und schwierig sein, aber sie lohnen sich allemal: In Bezug auf die Gesamtwirtschaft oder zur Beschäftigung sind die Agrarsektoren für arme Länder wesentlich bedeutender als die Industriesektoren für reiche Länder.