Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Die Auswirkung von abnehmender Bodenfruchtbarkeit auf die Armutssituation und Ernährungssicherung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wird oftmals unterschätzt. Bereits ein Drittel des globalen Ackerlandes ist degradiert, allein in der Subsahara-Afrika-Region sind um die 180 Millionen Menschen davon betroffen. Das westafrikanische Benin mit vielerorts stark ausgelaugten Böden bildet hierbei keine Ausnahme.
Insbesondere in dicht besiedelten Gebieten führt Landdruck zu einer Übernutzung der verfügbaren Flächen, da die Notwendigkeit den Eigenbedarf zu decken, die Möglichkeit für konservierende Maßnahmen erschwert. Diese mangelhaften Schutzmaßnahmen für Böden und geringer Eintrag von Nährstoffen in Form von organischen oder chemischen Düngemitteln verschärfen das Problem. Breit aufgestellte Förderung und Beratungsleistungen, insbesondere in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sind notwendig, um stark degradierte Böden wiederherzustellen. Über öffentliche und gebergestützte Maßnahmen können die Bäuerinnen und Bauern befähigt werden, einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des lokalen Ökosystems, aber vor allem auch zur eigenen Produktionssteigerung, beizutragen. Hierbei spielen gesicherte Landrechte, und dabei vor allem auch Nutzungsrechte innerhalb der Haushalte, eine Rolle. Frauen bestellen ihre Felder primär für die Subsistenzproduktion, werden jedoch zu selten in beratende Maßnahmen einbezogen. Hierdurch entsteht eine entwicklungspolitische Schieflage mit weitreichenden Auswirkungen auf die Armuts- und Ernährungssituation der Familien.
Formalisierung von Landrechten
In Benin gehört Ackerland nach traditionellem Verständnis der Familie des ersten Siedlers, der es in der Regel vor Generationen urbar gemacht hat. Der Älteste der (männlichen) Nachkommen dieser Familie bzw. heute des gesamten aus ihr hervorgegangenen Klans ist als chef de terre (auch lokal franz. als roi bzw. König tituliert) für die Zuteilung an weitere NutzerInnen verantwortlich. Bis vor zwei bis drei Generationen war die Wahrung der Nutzungsrechte von einer tatsächlichen Bestellung der Flächen abhängig. Erfolgte diese nicht, fiel das betreffende Land an den chef de terre zurück, der es an Dritte weitergeben konnte.
Wer Land benötigte, kam zum chef de terre und erbat - meistens im Rahmen einer kleinen Zeremonie, die mit einer Gabe von Kolanüssen an den chef und einer Befragung der Ahnen durch diesen verbunden war - ein für seinen Bedarf angemessenes Stück Ackerland bzw. Buschland zur Urbarmachung. Solange freie Flächen vorhanden waren, wurde dieses Land bereitgestellt, quasi zwingend an Klanangehörige, aber auch freiwillig an dritte Petenten. Verstand sich die Landzuteilung zunächst lediglich als Vergabe eines befristeten Nutzungsrechts an ein Individuum, so wurde im 20. Jahrhundert dieses Nutzungsrecht erblich und zuletzt konnte ein Inhaber des Rechts dieses sogar weiterreichen (als don, franz. im Sinne von Gabe). Allerdings konnte er das Land nicht verkaufen, da es dem Nutzungsrechteinhaber juristisch weiterhin ja nicht gehörte. Formell „gehörte“ aller Grund und Boden eines Dorfes weiterhin dem chef de terre, der diesen stellvertretend für die Ahnen als letztendliche Eigentümer verwaltete.
Das traditionelle Landrecht in Benin wird gegenwärtig durch Vorgaben einer ‚modernen‘ Gesetzgebung abgelöst, die zum Ziel haben, die teilweise überkommenen Nutzungsrechte von Land in eingetragene Eigentumstitel umzuwandeln. Einerseits wird als Grund für die Veränderung die Herstellung von mehr Rechtssicherheit und dadurch die Minimierung von Streit um Landnutzungsrechte angeführt. Auf der anderen Seite ist offenkundig, dass bisher nicht handelbare Landnutzungsrechte dann als Landeigentumsrechte zu einem Handelsobjekt werden sollen. Als Begründung hierfür wird vor allem von EZ-Organisationen die Chance angeführt, angesichts von beleihbaren Landtiteln seitens der Banken deutlich mehr Kredite für die landwirtschaftliche Produktion mobilisieren zu können.
Als hidden agenda ist natürlich zu vermuten, dass durch die „Reform“ in Benin ein wie andernorts zu beobachtendes land grabbing durch Angehörige der politischen Elite gefördert und legalisiert werden soll. Dass KleineigentümerInnen dann, wenn Land handelbar wird, weniger Kredite für Investitionen aufnehmen (können), sie stattdessen von SpekulantInnen in kürzester Zeit um ihren Besitz gebracht werden, zeigen Beispiele aus dem Nachbarland Burkina Faso. Hier haben viele Familien im Umland der Hauptstadt Ouagadougou nach Erhalt der Landtitel diese sofort verkauft. Nach kürzester Zeit waren die scheinbar „riesigen“ Einnahmen restlos ausgegeben, wodurch die Familien ihre wirtschaftliche Existenz unwiederbringlich verloren hatten. Ähnliche negative Folgen von formalisierten Landtiteln sind in Indien und Kambodscha zu beobachten.
Allerdings handelt es sich bei der neuen Gesetzgebung in Benin, zumindest in der Theorie, nicht um eine komplette Umwandlung von kommunalen bzw. traditionellen Landrechten in individuelle Titel, bei der wie in Sambia Millionen von Hektar „Stammesland“ (tribal trust lands) den Kollektiven weggenommen und an Investoren neu verteilt werden. Es handelt sich vielmehr um die Formalisierung eines bereits seit mindestens zwei Generationen üblichen dauerhaften (also auch vererbbaren) Landanspruchs zu Gunsten der den Boden nutzenden Bäuerinnen und Bauern. Zumindest in den während einer Projektstudie des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen untersuchten Dörfern des nördlichen Benin wird daher auch bisher von einem der Situation in Sambia vergleichbaren land grabbing nicht berichtet. Hier werden die traditionellen Ansprüche derzeit eins zu eins ohne jeglichen Flächenverlust in Eigentumstitel übertragen.
Landrechte und Gender in Benin
Traditionell können Frauen in Benin nur in sehr wenigen ethnischen Gruppen überhaupt über Landnutzungsrechte verfügen, die von den Rechten ihrer Ehemänner, Brüder oder Väter als eigenständiges Nutzungsrecht getrennt sind. Ansprüche dieser Art finden sich z.B. in der Region um Bohicon-Abomey, wo von 20 im Rahmen der INEF-Studie befragten Frauen genau drei über ein solches Recht verfügten. Sie hatten ihr Land zumeist vom Vater oder bereits von der Mutter geerbt, aber auch zugekauft, was streng genommen vor der gegenwärtigen Titelerfassung kaum als legal angesehen werden kann.
Anders als beispielsweise in Äthiopien oder Kambodscha berücksichtigt der gegenwärtige Prozess der Landtitelregistrierung keine Gender-Aspekte. Da fast ausschließlich geerbte (héritage) bzw. in geringem Umfang geschenkte (don) Flächen auf der Basis der gegenwärtigen BesitzerInnen erfasst und auf deren Namen eingetragen werden, führt die Registrierung zu einer Zementierung der patriarchalischen Landeigentumsstrukturen.
Hinsichtlich der den Frauen bei der Heirat zur Nutzung überlassenen Felder verfahren die verschiedenen ethnischen Gruppen in Benin unterschiedlich. So erfuhr das INEF-Forschungsteam im Norden Benins, dass bei den Peulh (Fulbé) die Frauen diese Felder ein Leben lang behalten dürfen, auch im Falle des Todes des Ehemannes oder bei einer Scheidung. Bei den im selben Gebiet lebenden Bariba wird der Frau in diesen beiden Fällen jedoch das Feld entzogen. Auch kann der Ehemann aus anderen Gründen jederzeit das Feld für sich beanspruchen.
Dieser Umstand hat erhebliche Konsequenzen für alle landwirtschaftlichen EZ-Maßnahmen, die auf wasser- und bodenkonservierende Maßnahmen ausgerichtet sind und / oder eine Förderung der Produktivität durch Beratung in Kulturtechniken bzw. die Förderung der Bereitstellung von Inputs wie verbessertes Saatgut und Düngemittel setzen. Durch diese Beiträge der EZ können sich Erträge leicht verdoppeln und auch die Qualität der Böden kann verbessert und damit der Mehrertrag nachhaltig gesichert werden. Dieser entwicklungspolitische Erfolg ist nachweisbar. Ein zynischer Beweis für die Wirkungen, d.h. die sichtbaren Erfolge der Investition in das Land, ist allerdings die wiederholt festgestellte Tatsache, dass Männer ihren Frauen die in Wert gesetzten Äcker wieder abgenommen und durch andere Flächen, nunmehr wieder Grenzertragsstandorte, ersetzt haben. Diesem Problem konnte im Laufe der Zeit entgegengewirkt werden, indem es bei Gruppentreffen thematisiert und intensiv diskutiert wurde. Ergebnis ist, dass sich heute in vielen Dörfern kaum mehr ein Mann traut, seiner Frau das Land wieder wegzunehmen, aus Angst, sich im Dorf als Egoist lächerlich zu machen.
Genderaspekte in Maßnahmen der internationalen Zusammenarbeit
Der beschriebene Umstand der Landnutzungsrechte innerhalb von Haushalten in Benin verdeutlicht, dass ein Einbezug der Frauen in landwirtschaftliche Beratungsleistungen eine Grundlage für nachhaltigen Erfolg der Maßnahmen darstellt, jedoch auch an eine Landtitelvergabe gekoppelt werden müsste. Der Umstand, dass Frauen Gewinne und Erträge aus ihren Aktivitäten nahezu vollumfänglich in den Haushalt einbringen ist mittlerweile bekannt. Für Benin, wie auch andere Länder Subsahra-Afrikas, potenziert sich dieser Effekt jedoch durch die Tatsache, dass landesweit der Anteil der Frauen an geleisteter landwirtschaftlicher Arbeit auf 70% (FAO) geschätzt wird.
Die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit kann durch gezielte und angepasste Beratungsmaßnahmen entschieden vorangetrieben werden. Während in der extensiven Landwirtschaft z.B. Feldrotation und damit ausreichender Brache gewünschte Effekte erzielen kann, ist bei einer intensiven Nutzung der Flächen kulturtechnisches Wissen notwendig. Die INEF Untersuchung eines GIZ-Projektes zur Bodenverbesserung im Norden Benins konnte dabei beachtliche Produktionssteigerung durch bodenverbessernde Maßnahmen beobachten. Die dort angewandten Maßnahmen umfassen Techniken der konservierenden Landwirtschaft z.B. durch Mulchen, erosionsschützende Maßnahmen durch die Errichtung von Steinwällen, Techniken aus dem Bereich Agroforstwirtschaft sowie verbessertes Weidemanagement unter ViehhalterInnen. Der gezielte Einbezug von Frauen in die Beratungsleistungen war im beobachteten Projekt von zentraler Bedeutung, ein Ansatz, der international betrachtet, keineswegs zur Normalität gehört.
Der Stärkung der Rechte von Frauen wird ein enormes ökonomisches Potential zugesagt. Der verbesserte Einbezug von Frauen in die nationale Wirtschaft, und dabei insbesondere auch in der marktorientierten Landwirtschaft, birgt große Steigerungen in der volkswirtschaftlichen Bilanz. Die positive Beziehung von Gleichberechtigung, Wachstum und Armutsminderung muss daher stärker in entwicklungspolitische Maßnahmen einbezogen werden. Darüber hinaus verbessert sich die Situation der übrigen Haushaltsmitglieder, insbesondere die Ernährungs-, Gesundheits- und Bildungssituation der Kinder, durch bessere Bildung und einen verbesserten Zugang zu Ressourcen der Frauen und leistet dadurch einen Beitrag zu einer Vielzahl der 2015 beschlossenen Sustainable Development Goals.
Bereits in den 1970er Jahren beschrieb Ester Boserup die Genderproblematik im Bereich der Landwirtschaft, was Diane Elson später als „male bias“ beschrieb. Die Rolle der Frauen als eigenständige Produzentinnen, für Benin vor allem im Anbau der Grundnahrungsmittel, wird verkannt. Die Gründe liegen hierbei in den oftmals von männlichem Personal dominierten Beratungsleistungen, der primären Ansprache von Männern bei diesen Leistungen in ihrer Rolle als „die Bauern“ und als Haushaltsvorstände sowie in Dynamiken innerhalb der Haushalte selbst. So sind z.B. Frauen wegen ihrer extrem großen Belastung häufig gar nicht in der Lage, an Beratungsversammlungen teilzunehmen. Dies führt zu einem Übergewicht an öffentlichen und privaten Beratungsleistungen an Männer und verhindert gezielte, auf Frauen abzielende Maßnahmen. Gekoppelt mit der patriarchalen Landtitelvergabe können die oben beschriebenen ökonomischen Potentiale daher nur bedingt abgerufen werden.
Literatur