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Journalist Jan Rübel hat sich im Vorfeld des UNFSS Vorgipfel mit Joao Campari ausgetauscht. Der Vorsitzende von Action Track 3 blickt auf wesentliche Herausforderungen bei der Transformation bestehender Ernährungssysteme hin zu einer naturverträglichen Produktion und teilt seine an den Summit gestellen Erwartungen.
Herr Campari, wie lautet Ihre Einschätzung des bisherigen UNFSS-Prozesses, der nun im Vorgipfel mündet?
Bisher ist es dem Gipfel gelungen, Stakeholder aus allen Bereichen der Ernährungssysteme einzubinden. Dieser Gipfel ist ein People's Summit. Durch einen offenen Prozess wurden mehr als 2.000 Lösungen für die fünf Action Tracks eingereicht. Sich gegenseitig ergänzend verbessern sie die Gesundheit der Menschen, stärken das Bewusstsein für eine gesündere und nachhaltigere Ernährung, kurbeln eine naturverträgliche Produktion an, verbessern die Lebensgrundlagen und schaffen mehr Widerstandskraft gegen Anfälligkeiten und Schocks. Die Lösungen wurden weltweit über öffentliche Foren, Online-Umfragen, Food Systems Summit Dialoge und die direkte Einbindung von Stakeholdern zusammengetragen. Es war sehr aufregend, einige der innovativen Denkansätze zu sehen - und zu erleben, wie so viele Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, die auf unterschiedliche Weise in Ernährungssysteme involviert sind, ihre Meinungen darüber austauschen, wie wir den systemischen Wandel beschleunigen und skalieren können.
Sie sind Vorsitzender von Action Track 3, der darauf abzielt, naturverträgliche Produktionssysteme innerhalb der planetarischen Grenzen zu fördern. Was sind die größten Herausforderungen, um dieses Ziel zu erreichen?
Die Hauptprobleme sind strukturelle Hindernisse, die das derzeitige, nicht nachhaltige System der Nahrungsmittelproduktion aufrechterhalten. Dazu gehören Investitionen und politische Maßnahmen, die nicht-nachhaltige Praktiken fördern oder belohnen, die Forderung nach niedrigen Lebensmittelpreisen, die Machtkonzentration bei einer kleinen Gruppe von Akteuren und der ungleiche Zugang zu Technologien. Wir müssen diese strukturellen Probleme angehen, wenn wir eine Transformation der Ernährungssysteme erreichen wollen. Um eine wachsende Bevölkerung zu ernähren und den Hunger zu beenden, neigen Entscheidungsträger:innen dazu, sich auf die Steigerung der Produktivität zu konzentrieren. Dabei berücksichtigen sie aber in der Regel nicht die gesamte Bandbreite der Kosten, die mit der Produktion verbunden sind, wie z. B. die Kosten der Abholzung von Wäldern. Es gibt einen Weg, Lebensmittel im Einklang mit der Natur zu produzieren (nicht gegen sie!), und das nennen wir naturverträgliche Produktion. Es ist eine Art, Lebensmittel zu produzieren, die für Menschen und Natur funktioniert.
Eine der in Action Track 3 eingereichten Ideen ist die Entwicklung eines "Codex Planetarius". Dieser soll ökologische Mindeststandards bestimmen und so den globalen Lebensmittelhandel steuern. Was ist unter Codex Planetarius zu verstehen, welche Probleme werden damit adressiert und wie realistisch ist dessen Umsetzung?
Der Codex Planetarius schlägt eine Reihe von Mindestumweltstandards vor, die auf den globalen Lebensmittelhandel angewendet werden sollen. Er ist das ökologische Pendant zum Codex Alimentarius, der die Lebensmittelsicherheit und -hygiene zum Schutz der Menschen regelt. Das Problem heutzutage ist, dass es meist keine globalen ökologischen Handelsstandards oder Vorschriften für Lebensmittel, die auf den Weltmarkt gelangen, gibt. Angesichts der riesigen Ströme von Lebensmitteln über Grenzen hinweg würde ein Codex Plaentarius helfen, den Übergang zu einer naturverträglichen Produktion zu beschleunigen. Natürlich ist es nicht einfach umzusetzen - es bedarf konzertierter und koordinierter Bemühungen vieler verschiedener Interessengruppen und politischer Entscheidungsträger. Aber es gibt viel Begeisterung für diese Idee.
Action Track 3 legt einen klaren Fokus auf die agrarökologische Transformation bestehender Produktionssysteme. Welche Rolle spielen kleinbäuerliche Organisationen und indigene Gruppen bei der Arbeit von AT3?
Die Führungsgruppe von AT3 ist vielfältig, darunter sind Bäuerinnen und Bauern, indigene Vertreter:innen und Jugendliche. Es verdeutlicht, dass jede und jeder eine wichtige Rolle bei der Transformation der Ernährungssysteme und der umfangreichen Förderung einer naturverträglichen Produktion spielen kann. Kleinbäuerliche Organisationen und indigene Gruppen gehören zu den besten Hüter:innen der Natur, aber die Verantwortung, die Produktion zu verändern, liegt nicht allein bei ihnen. Wir müssen gemeinsam Veränderungen herbeiführen, die die Etablierung einer naturverträglichen Produktion ermöglichen. Dazu braucht es neben sozialen, institutionellen und finanziellen Innovationen die Förderung von Forschung, Technologie und Innovation, die agrarökologische Produktionsansätze und regenerative Landwirtschaft forcieren.
Der UNFSS bietet eine wichtige Gelegenheit, das Profil der Agrarökologie und anderer regenerativer Ansätze zu schärfen, Prozesse voranzutreiben und von Verpflichtungen zu Taten überzugehen.
Wir als WWF unterstützen das nachdrücklich und setzen uns für Ernährungssysteme ein, die Mensch und Natur zugutekommen. Durch unser Mitwirken am Gipfel stellen wir sicher, dass die Stimmen von Kleinbäuerinnen und Bauern, indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften, Frauen und Jugendlichen gehört werden.
In den letzten Monaten wurden verschiedene Action Areas und Lösungen entwickelt. Jetzt braucht es Koalitionen, um diese Ideen voranzutreiben…
Absolut. Das ist eine Erwartung an den Gipfel. In der Tat brauchen wir große Koalitionen, um gemeinsam ehrgeizige Lösungen zu gestalten, und wir sehen bereits ein hohes Maß an Engagement von wichtigen Stakeholdern. Zum Beispiel gibt es bisher schon mehr als 21 Mitgliedsstaaten, darunter aus acht afrikanischen Ländern, die sich in Diskussionen über Agrarökologie und regenerative Landwirtschaft einbringen, um einen Paradigmenwechsel weg von der Produktivitätsmaximierung intensiver, nicht diversifizierter Ernährungssysteme hin zu gesunden, widerstandsfähigen, gerechten und nachhaltigen Systemen zu erreichen. Unser ‚Aquatic and Blue Foods Cluster‘ befasst sich mit der Frage, wie wir das Potenzial nachhaltiger aquatischer Lebensmittel voll ausschöpfen können, aber auch damit, wie sie zur Beendigung von Unterernährung und zum Aufbau gesunder, widerstandsfähiger Nahrungsmittelsysteme beitragen und sichere, menschenwürdige Arbeitsplätze bieten können. Der Cluster zur Neuausrichtung öffentlicher Förderung für Lebensmittel und Landwirtschaft untersucht, wie Subventionen und finanzielle Anreize angepasst werden können, um sicherzustellen, dass Produzent:innen, die naturverträgliche Produktionsmethoden anwenden, belohnt werden. Alle Koalitionen, die aus AT3 hervorgehen, werden dazu beitragen, die dreifache Herausforderung zu meistern: Ernährungssicherheit zu erreichen, den Klimawandel zu begrenzen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und umzukehren.
Was sind Ihre Erwartungen an den Vorgipfel und was wird danach passieren?
Der WWF wünscht sich, dass der Gipfel uns auf einen Pfad bringt, um die Auswirkungen der Ernährungssysteme auf die biologische Vielfalt und das Klima zu reduzieren.
Der Vorgipfel ist ein wichtiger Moment, um die Fortschritte auf diesem Weg zu beschleunigen. Er muss die sich abzeichnenden ‚Coalitions of Action‘ stärken und die Grundlagen für die Umsetzung sinnvoller Maßnahmen schaffen. Er ist auch ein Schlüsselmoment für die weitere Integration der Ernährungs-, Klima-, Natur- und Land-Agenden, damit die Transformation der Ernährungssysteme ein vorrangiges Thema in den kommenden Klima- und Biodiversitätsvereinbarungen ist, die die Politik für das nächste Jahrzehnt prägen werden.
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