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Ortsbasierte Entwicklungsansätze galten über Jahre als wichtige Merkmale der Entwicklungskooperation des BMZ und in der FAO. Beide Organisationen arbeiten verstärkt daran, diese Ansätze weiterzuentwickeln: ein Interview mit Adriano Campolina von der FAO zu territorialen und landschaftlichen Perspektiven.
FAO und BMZ haben mit Unterstützung der GIZ die Territorial- und Landschaftstage (7.-9. Juli 2020) als Online-Expertendialog zu räumlichen Ansätzen für nachhaltige Entwicklung organisiert. Dabei teilten Praxisvertreter und politische Entscheidungsträger aus OECD, AfD, EU, CIRAD, RIMISP, UN-Habitat, IFPRI, Wageningen University, FAO, BMZ und GIZ ihre Erfahrungen mit der Umsetzung räumlicher Ansätze und diskutierten Möglichkeiten, ihren Beitrag zur Entwicklung ländlicher Gebiete weiter zu stärken.
Bei dieser Gelegenheit wurden die Ergebnisse einer vom BMZ finanzierten und von der GIZ in Auftrag gegebenen Bestandsaufnahme zu territorialen Ansätzen der Partnergruppe "Territorial Perspectives for Development" (TP4D) vorgestellt und diskutiert. Die Workshopteilnehmer waren außerdem in einen Expertenkonsultationsprozess zur Vertiefung der Integration von territorialen und landschaftlichen Ansätzen eingebunden. Die wichtigsten Ergebnisse der Online-Veranstaltung sind in der Dokumentation zusammengefasst, die hier abgerufen werden kann.
Können Sie sich erinnern, wann Sie zum ersten Mal gedacht haben, dass eine ganzheitliche Perspektive unausweichlich zu sein scheint?
Vor langer Zeit. Ich machte meine ersten beruflichen Erfahrungen in den frühen neunziger Jahren. Nach dem Abschluss meines Studiums der Agrarwissenschaften arbeitete ich zunächst als landwirtschaftlicher Berater und kommunaler Entwicklungsmanager. Hier betraf ein Großteil meiner Tätigkeit den partizipativen Anbau lokaler Maissorten. Während ich versuchte, mit den Kleinbauern die produktivsten Maissorten zu ermitteln, wurde sehr deutlich, dass wir in keiner Weise eine Wirkung für einzelne Höfe erzielen konnten, wenn wir uns nur auf ein Produkt konzentrierten. Wir mussten den landwirtschaftlichen Betrieb als Ganzes betrachten, von der Bodennutzung bis zum Wassermanagement und verschiedene Cash Crops und Food Crops – diese müssen die Lebensmittelversorgung des Haushalts sicherstellen. Darüber hinaus war es unmöglich, die Nachhaltigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs zu gewährleisten, ohne die gesamte Landschaft zu berücksichtigen. Jeder dieser Bereiche korrelierte mit Herausforderungen und Möglichkeiten wie Preisen, Preisbildung, der Rolle lokaler Händler sowie der Rolle der Agrarpolitik – alles war miteinander verbunden und erforderte daher eine ganzheitliche Perspektive.
Haben Sie den Einsatz von Einheitslösungen erlebt?
Diese oder extrem präzise und fokussierte Interventionen würden sehr leicht verpuffen und keine Wirkung erzielen. Sie würden den Maisertrag erhöhen, aber die Preise könnten zusammenbrechen oder das Grundeigentum der Kleinbauern könnte gefährdet werden. Ich habe daher in meiner ersten Tätigkeit sehr viel über holistische Ansätze gelernt – die Notwendigkeit, technische Lösungen in andere Arten von Lösungen und Dynamiken zu integrieren. Insbesondere im Bereich der Stärkung ländlicher Institutionen und der Organisation der Landwirte.
In welchem Umfang hat sich die Corona-Pandemie darauf ausgewirkt?
Ich untersuchte den Marktzugang der Kleinbauern in der Anfangsphase der Pandemie. Das war im März. Wir stellten direkt einen Einfluss mit ganzheitlichen Konsequenzen fest. Die Tatsache, dass Kleinbauern beispielsweise in den Anfangsphasen der COVID-19-Gegenmaßnahmen von Betriebsmitteln und Märkten abgeschnitten und in ihrer Bewegung eingeschränkt waren, wirkte sich direkt auf das gesamte Lebensmittelsystem in den betroffenen Regionen aus. Ein weiteres Beispiel war die Auswirkung der Bewegungsbeschränkung der Landarbeiter: Keine dieser Auswirkungen war isoliert – sie betrafen immer das gesamte Lebensmittelsystem. Die effektivsten Lösungen für diese Probleme boten eine ganzheitliche Reaktion für verschiedene Auswirkungsbereiche: vom Zugang zu Betriebsmitteln über den Marktzugang bis hin zur Behandlung von Liquiditätsproblemen.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Wenn Sie als Landwirt Gemüse produzieren und von einem Tag auf den anderen keinen Zugang zu Märkten mehr haben, um Ihre Ware zu verkaufen, oder die Nachfrage nach Ihrem Produkt aufgrund plötzlicher Veränderungen der Verbraucherpräferenzen zusammenbricht, ist Ihr gesamtes Geschäft in Gefahr. Sie müssen sich mit vielen Problemen gleichzeitig befassen. Zunächst einmal haben Sie eine Liquiditätskrise, dann ein finanzielles Problem, wenn Sie Darlehen oder Kredite zurückzahlen müssen, und dann wird es schwierig, Mittel zu finden, um sich wieder auf die Produktion vorzubereiten, weil Sie möglicherweise einen großen Teil Ihrer Ernte verloren haben. Anschließend müssen Sie sehen, wie viele Arbeiter Sie zur Unterstützung in Zeiten eines Lockdowns finden können. Und selbst, wenn Sie es schaffen, zu produzieren: Wo wollen Sie die Ware verkaufen? Sie müssen all diese Probleme gleichzeitig anpacken, sonst scheitern Sie.
Ganzheitliche Ansätze sind wie Zauberworte – sie werden immer und überall verwendet. Manchmal auch als hohle Phrase?
Menschen verwenden gerne das Wort „ganzheitlich“, ohne sich der Haupteinflussfaktoren für Veränderungen vollständig bewusst zu sein, die gleichzeitig behandeln werden müssen. Sie können sehr schöne Sätze über ganzheitliche Lösungen formulieren, doch die nützen Ihnen nichts, wenn Sie nicht einen Schritt weitergehen und die fünf, sechs Einflussfaktoren für Veränderungen bestimmen, die besonders wichtig sind sowie deren Vernetzung. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert eine Perspektive, die es Ihnen ermöglicht, alle relevanten Themen zu erfassen, um wirklich multidimensionale und ganzheitliche Entwicklungsverläufe zu erreichen. Die Verwendung des Wortes „ganzheitlich“ allein macht eine Sache nicht ganzheitlich. Ganzheitlich bedeutet, in verschiedenen Sektoren viele Aspekte, die in die gleiche Richtung gehen, gleichzeitig zu implementieren. Hierzu müssen Sie die gesamte Landschaft oder das gesamte Gebiet betrachten.
Gibt es Unterschiede zwischen territorialen und Landschaftsansätzen?
Wir von der FAO sind bestrebt, gleichermaßen territoriale und Landschaftsansätze zu integrieren. Diese beiden stammen aus unterschiedlichen Erfahrungen. Der territoriale Ansatz resultiert in hohem Maße aus dem Verständnis der sozioökonomischen Beziehungen innerhalb eines gegebenen Raums. Der Landschaftsansatz basiert auf dem Verständnis der grundlegenden Naturphänomene einer Landschaft und den Aspekten des Umwelt- und Ressourcenmanagements der Landschaft. Ein guter Landschaftsfachmann wird jedoch sehr schnell erkennen, dass es unmöglich ist, die Förderung einer nachhaltigen Landschaft anzustoßen, ohne sich mit den sozioökonomischen Aspekten zu befassen, die den Trends der Nutzung natürlicher Ressourcen in diesem bestimmten Raum zugrunde liegen. Umgekehrt wird jeder territoriale Entwicklungsmanager sehr schnell feststellen, dass die Dynamiken der natürlichen Ressourcen, ihre Eigenschaften und ihre Wechselbeziehung mit der Gesellschaft absolut grundlegend für das Verständnis der sozioökonomischen Entwicklung sind.
Doch unterscheiden sie sich?
Sie unterscheiden sich durch ihren Entwicklungsverlauf und ihre Eintrittspunkte. Allerdings haben sie auch vieles gemeinsam. Ihnen ist die Idee gemeinsam, nicht nach einer Einheitslösung zu suchen, sondern Lösungen entsprechend den spezifischen Bedingungen eines Gebiets und einer Landschaft zu konzipieren. Zweitens erkennen sie die Wechselbeziehungen zwischen Stakeholdern in einem bestimmten Raum als wesentlichen zu berücksichtigenden Aspekt. Diese beiden Ansätze erkennen an, dass es keine einzelne Sektorlösung gibt. Neben der Landwirtschaft müssen auch der Umweltschutz und die Wirtschaft zusammen betrachtet werden: Sie müssen sektorübergreifend denken, um Lösungen entwickeln zu können. All diesen Gedanken sind die wesentlichen Aspekte der Größe und sektorübergreifenden Perspektive zu eigen, die es Stakeholdern ermöglicht, zusammenzukommen. Sie entwickeln sich jedoch durch verschiedene Eintrittspunkte – und diese Punkte sind äußerst wichtig und kontextverbunden. Die Anzahl der Eintrittspunkte wird manchmal zunehmen, doch je mehr wir integrieren und allen die Möglichkeit geben, voneinander zu lernen und die Hilfsmittel des jeweils anderen zu erhalten, desto besser können wir Gemeinsamkeiten weiterentwickeln. Auch wenn territoriale und Landschaftsansätze nicht gleich sind, gehen sie daher dennoch in die gleiche Richtung und haben ausreichende Gemeinsamkeiten, um von einem besseren Austausch von Hilfsmitteln und Wissen zu profitieren.
Je mehr wir allen die Möglichkeit geben, voneinander zu lernen, desto besser können wir Gemeinsamkeiten weiterentwickeln.
Welche Synergien bestehen zwischen territorialen und Landschaftsansätzen?
Ich würde nicht zwingend sagen, dass wir alles in einem vollständig neuen Ansatz kombinieren. Vielmehr stellen wir sicher, dass wir beide Ansätze in einer besser integrierten Weise nutzen. Die Synergien sind grundsätzlich ortsbasiert. Und die andere Synergie ist: Beide Ansätze zeichnen sich durch ein sehr klares Verständnis der Wechselbeziehungen zwischen den drei Elementen der Nachhaltigkeit – sozial, ökonomisch und umweltverträglich – aus und müssen kombiniert werden, da andernfalls immer ein Element verloren geht. Bei beiden Ansätzen ist außerdem eine Vielzahl an Stakeholdern gleichzeitig zu berücksichtigen. Und obwohl sie ortsbasiert sind, stehen Menschen in ihrem Mittelpunkt. Beide Ansätze erkennen die wichtige Rolle der Menschen an. Darüber hinaus handelt es sich um Ansätze, die einerseits einen gegebenen Raum, ein Territorium oder eine Landschaft als optimalen Aktionsrahmen betrachten, aber gleichzeitig die Beziehung zwischen verschiedenen Größen anerkennen.
Verschiedene Akteure wie die FAO und BMZ arbeiten jetzt in der Weiterentwicklung und Bewertung der Ansätze zusammen. Welche Vorteile ergeben sich hieraus?
Die Hauptvorteile bestehen darin, Entwicklungsprozesse zu gestalten, die inklusiv, nachhaltig und wirksam sind und die Dynamiken und verschiedenen Akteure in einem gegebenen Raum, der für den Zweck unter den spezifischen Bedingungen der Regionen geeignet ist, mobilisieren und daher die Bedürfnisse der Menschen besser und genauer erfüllen.
Wie profitiert die FAO konkret hiervon?
Dazu kann ich Ihnen ein paar Beispiele geben. Das Regionalbüro der FAO für Lateinamerika und die Karibik ermittelte hunderte Territorien, die im Hinblick auf Armutsbekämpfung und wirtschaftliche Entwicklung zurückgelassen wurden. Aus diesem Grund werden hier jetzt Ressourcen mobilisiert, um diese Gebiete in einen territorialen Entwicklungsplan zu integrieren, der in diesen Regionen eine Reihe territorialer Diagnosen voranbringen kann, die die Entwicklung wirklich beschleunigen können. Ein weiteres Beispiel ist die „Hand-in-Hand“-Initiative der FAO, die sich auf die am wenigsten entwickelten Länder konzentriert und prüft, wie wir die Hebel der verschiedenen Interventionstypen in jedem dieser 50 Länder verstehen können, um deren Potenziale bestmöglich auszuschöpfen.
Wir arbeiten in diesen Regionen an der Entwicklung eines Datensatzes, der es uns ermöglicht, die einzelnen Disziplinen der Mikroregionen zu verstehen, und koordinieren Investitionen, indem wir verschiedene Investitionsquellen zu den am besten geeigneten Lösungen für die Besonderheiten dieser Region kombinieren. Darüber hinaus führen wir in einigen Regionen territoriale Diagnosen durch. Dies sind einige Beispiele dafür, wie die FAO territoriale Denkweisen in ihrer Arbeit umgesetzt hat.
Sind Leitprinzipien unverzichtbar?
Sie helfen uns, Fragen im Zusammenhang mit ortsbezogenen Ansätzen gemeinsam zu reflektieren, unsere Erkenntnisse zu teilen und unser Wissen weiterzuentwickeln. Die Ausarbeitung dieser territorialen Entwicklungsperspektiven war eine wichtige Initiative, die viele Entwicklungsorganisationen zusammengeführt hat, darunter Cirad, BMZ, GIZ, FAO und viele andere. Die Leitprinzipien haben uns geholfen, ein gemeinsames Verständnis und eine bessere Methode voneinander zu lernen zu erstellen. Hinsichtlich der territorialen Entwicklung und des Landschaftsmanagements bestehen weltweit zahlreiche Initiativen und viele Organisationen auf verschiedenen Ebenen versuchen, dies zu systematisieren und daraus zu lernen.
Zum Thema „viele Ebenen“: Steht die nationale Ebene der Entwicklung auf lokaler Ebene manchmal im Weg? Würde die höhere Ebene Zuständigkeiten abgeben müssen?
Dies geht in beide Richtungen. Es gibt Momente, in denen ein territorialer Entwicklungsprozess auf Hindernisse auf einer höheren Ebene trifft. Ein klassisches Beispiel: Man sagt Ihnen, dass Sie die Ressourcennutzung dezentralisieren müssen. Das Budget wird jedoch nicht dezentralisiert. Es nützt nichts, nur die Verantwortlichkeiten, aber nicht die Kapazitäten und Ressourcen zu dezentralisieren. Oder Sie stellen fest, dass es eine Vorschrift oder nationale Behörde gibt, die besser auf dezentraler Ebene eingebunden werden sollte – meiner Ansicht nach bezieht sich „viele Ebenen“ auf das Verständnis der Rollen verschiedener Ebenen wie etwa die Gestaltung nationaler Vorschriften oder spezifische Themen, die auf kommunaler Ebene auftreten. In diesem Rahmen müssen Sie die Bedingungen und Herausforderungen verstehen und Interaktionen planen.