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Vor 30 Jahren war Afrika Synonym für Krieg, Hunger und Armut. Dieses Narrativ hat heute keinen Bestand mehr. Die Lebensstandards in Afrika steigen erstaunlich schnell. Diese Entwicklung ist auch dem Wachstum der Landwirtschaft und der Entwicklung von Wertschöpfungsketten zwischen Städten und ländlichen Gebieten auf dem Kontinent zu verdanken. Unsere Autoren sind überzeugt, dass Verbesserungen in den Bereichen Bildung und Unternehmertum dafür sorgen werden, dass der Fortschritt in der Region unumkehrbar ist – auch im Angesicht von COVID-19.
Dieser Artikel erschien zuerst in Rural21 Vol. 54 No. 2/2020 zum Thema: Employment for rural Africa und ist Teil einer Medienkooperation zwischen weltohnehunger.org und Rural 21.
In den 1980er Jahren lebten die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner in ländlichen Gebieten, die sozial und wirtschaftlich vom Rest der Welt abgeschnitten waren. Die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner verfügten höchstens über eine Grundschulausbildung und waren überwiegend in der Semi-Subsistenzlandwirtschaft tätig. Armut und Unterernährung grassierten, und die Lebenserwartung lag bei unter 50 Jahren. Erstaunlich ist daher, wie rasant sich die Bedingungen in Afrika geändert haben. Heute haben 48 Prozent der Afrikanerinnen und Afrikaner eine weiterführende Schule besucht. Zehn Prozent der jungen Erwachsenen Afrikas absolvieren ein Studium. Die Armutsquote ist seit dem Jahr 2000 deutlich zurückgegangen. Der Anteil der Afrikanerinnen und Afrikaner südlich der Sahara, die mit weniger als 1,90 US-Dollar (USD) am Tag auskommen müssen, ist von 58 Prozent im Jahr 2000 auf 41 Prozent im Jahr 2015 gesunken. Im selben Zeitraum ist nach jüngsten Zahlen der Weltbank der Anteil der Afrikanerinnen und Afrikaner, die mehr als 5,50 USD am Tag verdienen, von zehn auf 15 Prozent gestiegen. Die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner sind heute nicht mehr in der Landwirtschaft tätig. Dadurch hat sich auch ihr Lebensstandard deutlich verbessert (Tschirley et al., 2015; Yeboah und Jayne, 2018).
Die Mehrheit der Bevölkerung in der Region lebt heute eindeutig in besseren Lebensumständen. Für Mädchen haben sich die Bedingungen bei der Grund- und weiterführenden Schuldbildung bemerkenswert verbessert. Frauen sind heute deutlich aktiver auf dem Arbeitsmarkt und gewinnen in vielen Bereichen an Einfluss über das Haushaltseinkommen (Oduro und Doss, 2018). Auch im Bereich Ernährung zeigen sich langsam, aber sicher Verbesserungen (Masters et al., 2018). Am stärksten ist die Lebenserwartung südlich der Sahara gestiegen. Sie liegt dort heute bei 64 Jahren. Auch die Regierungsführung hat sich verbessert, wenn auch nicht in allen Staaten Afrikas gleichermaßen.
Mit dem Wachstum der Landwirtschaft ergaben sich für die Erwerbsbevölkerung südlich der Sahara nach und nach auch Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft. Seit dem Jahr 2000 hat die Region südlich der Sahara das weltweit höchste landwirtschaftliche Wachstum erzielt. Gemessen an den Entwicklungsindikatoren der Weltbank verzeichnete die Region südlich der Sahara im Zeitraum 2000 bis 2018 in der Landwirtschaft einen inflationsbereinigten Zuwachs von 4,6 Prozent pro Jahr; mehr als doppelt so viel wie in den vorangegangenen drei Jahrzehnten. Wächst die Landwirtschaft, führt dies wegen ihrer weitreichenden Vorwärts- und Rückwärtsverflechtungen in den Agrarlebensmittelsektor und in Sektoren außerhalb der Landwirtschaft allgemein zu mehr Beschäftigung und steigenden Einkommen. Seit 2000 verzeichnet die Region südlich der Sahara das nach Asien weltweit zweitgrößte regionale Wirtschaftswachstum. Das Pro-Kopf-BIP in der Region ist in diesem Zeitraum um fast 35 Prozent gestiegen. In einigen Staaten der Region hat es sich verdoppelt (Barrett et al., 2017). Diese Entwicklungen haben für einen Anstieg der Beschäftigungsmöglichkeiten in außerlandwirtschaftlichen Betrieben des Agrarlebensmittelsektors und in Nicht-Agrarsektoren und damit zur Diversifikation der regionalen Wirtschaften beigetragen.
Landwirte werden die nächste Generation afrikanischer Milliardäre stellen.
Das Wachstum der afrikanischen Landwirtschaft wurde durch eine steigende Zahl an gewerblich und unternehmerisch orientierten, relativ gut gebildeten afrikanischen Landwirten beschleunigt (Jayne et al., 2019). In Teilen der Region südlich der Sahara vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen bei der Verteilung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes. „Mittelgroße“ Betriebe mit fünf bis 100 Hektar Land machen heute in vielen afrikanischen Staaten mindestens 30 Prozent der bewirtschafteten Landesfläche aus. Und dieser Anteil steigt in Staaten, in denen noch viel Land ungenutzt ist (Jayne et al., 2016). In einem Zeitraum von etwa zehn Jahren nach der Jahrtausendwende ist der Anteil mittelgroßer landwirtschaftlicher Betriebe am Wert der im eigenen Land vermarkteten Pflanzenerzeugnisse in Sambia von 23 auf 42 Prozent gestiegen. In Tansania wurde ein Anstieg von 17 auf 36 Prozent verzeichnet, in Nigeria stieg der Anteil von 7 auf 18 Prozent (siehe folgende Abbildung). Der Anteil mittelgroßer Betriebe am Wertzuwachs der nationalen Pflanzenerzeugnisse im selben Zeitraum in Ghana, Tansania und Sambia betrug in allen drei Staaten mindestens 45 Prozent (Jayne et al., 2019). Paradox scheint, dass diese Gruppe afrikanischer Landwirte seit dem Jahr 2000 flächenmäßig weit mehr Land erworben hat als ausländische Investoren (Jayne et al., 2014a). Diese Entwicklung ist nur scheinbar überraschend, rückblickend mag sie schlicht logisch sein. Folge des dramatischen Anstiegs der weltweiten Lebensmittelpreise nach 2007 waren große ausländische Investitionen in Landwirtschaftsflächen in Afrika. Weshalb hätten afrikanische Investorinnen und Investoren nicht dasselbe tun sollen?
Das Wachstum in der Landwirtschaft ging synergetisch mit der rasanten Bildung von Wertschöpfungsketten zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und den wachsenden städtischen Gebieten Afrikas einher. Der heute reichste Afrikaner verdankt sein Vermögen im Grunde der Landwirtschaft, ergänzt um innovative Massenproduktion von Zucker, Mehl, Getränken und anderen Lebensmittelerzeugnissen. Nicht verwunderlich ist daher, dass der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, Dr. Akin Adesina, vor Kurzem prognostizierte, dass die Landwirte die nächste Generation afrikanischer Milliardäre stellen werden. Unterstützt von rasantem Bevölkerungswachstum, steigenden Einkommen und Verstädterung wird der afrikanische Agrarlebensmittelsektor bis 2030 auf ein Volumen von einer Billion USD anwachsen. Daher überrascht nicht, dass kleine und mittlere Unternehmen des Agrarlebensmittelsektors ein wichtiger Faktor für die Entwicklung in der Region sind. Anders als in vergangenen Jahrzehnten wird diese Entwicklung von gebildeten, fachkundigen und mit entsprechendem Kapital ausgestatteten Afrikanerinnen und Afrikanern geführt.
Zugleich variiert das Tempo des Wandels innerhalb der Region stark. Berechtigt sind daher Fragen nach der Beständigkeit des Narrativs vom Wandel und danach, ob er Wandel durch Preisbooms bei Primärrohstoffen gestützt wird und ob der Wandel auf Kosten von Industrialisierung und Armutsbekämpfung geht. In der Tat scheint die Situation in manchen Staaten diese Bedenken zu bestätigen. Für viele andere afrikanische Länder gilt dies jedoch nicht, was Beleg für das stark variierende Tempo des Wandels in der Region ist.
Dass Afrika sich rasant weiterentwickelt, bedeutet nicht, dass das Leben für alle Afrikanerinnen und Afrikaner gut ist. Die Region südlich der Sahara ist noch immer die ärmste Region der Welt. Zumindest aber zeigen die meisten der Schlüsselindikatoren in Bezug auf die Lebensverhältnisse der Menschen in der Region seit Jahrzehnten in die richtige Richtung. Und so ist es wenig hilfreich, angesichts der afrikanischen Bemühungen um die Lösung der zahlreichen ernüchternden Herausforderungen der Region, an dem Afrika-Pessimismus der 1980er und 1990er Jahre festzuhalten. Insbesondere, da die Afrikanerinnen und Afrikaner selbst, wie aus dem aktuellen Jugendbericht für Afrika hervorgeht, seit einiger Zeit optimistischer in die Zukunft und auf die Dynamik der Region blicken.
Diese Entwicklungen machen die erstaunlichen Fortschritte sichtbar, die in den letzten Jahrzehnten in Afrika südlich der Sahara erzielt worden sind. Zugleich kann man nach der Nachhaltigkeit dieser Fortschritte fragen. Wir sind der Ansicht, dass der langfristige Fortschritt in Afrika unumkehrbar ist. Dafür sehen wir drei Gründen, die miteinander verwoben sind: erstens eine zunehmend fachkundige, informierte Erwerbsbevölkerung mit steigendem Bildungsniveau, zweitens die Explosion frei verfügbarer Informationen und drittens das Mehr an Rechenschaft in Führungsstrukturen und der Politik.
Das steigende Bildungsniveau ist der Hauptgrund für die Nachhaltigkeit der Fortschritte in Afrika. Der Anteil der Afrikanerinnen und Afrikaner über 25 Jahren mit einem Abschluss einer weiterführenden Schule ist von 23 Prozent in den 1980er Jahren auf 43,7 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. In sich rasant entwickelnden Staaten wie Ghana liegt dieser Anteil für Männer und Frauen gleichermaßen sogar bei 75 Prozent (Weltbank, 2019). Die Immatrikulationszahlen im Hochschulbereich sind von einem Prozent in den 1970er Jahren auf 10 Prozent im Jahr 2014 gestiegen (Darvas et al, 2017). Die Bildungsqualität ist in den letzten Jahrzehnten gesunken. Zu groß waren die Anstrengungen, die die Universität allein für die Aufnahme der schnell steigenden Studierendenzahlen unternehmen mussten. Doch nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2006 geben die Staaten Afrikas im Durchschnitt jährlich 2000 USD an öffentlichen Mitteln pro Hochschulstudierendem – und damit mehr als doppelt so viel wie nichtafrikanische Entwicklungsländer – aus. Auch steigt die Vielfalt des Studienangebots, darin eingeschlossen ein stärkerer Fokus auf technischen Ausbildungen und auf Unternehmertum. Die Geschwindigkeit, mit der Verbesserungen im Bereich Bildung gelingen, ist in Afrika höher als in allen anderen Regionen der Welt. Der Rückstand zum Rest der Welt ist übergroß, doch Afrika beginnt aufzuholen.
Mit einer besser gebildeten Erwerbsbevölkerung werden Entscheidungsprozesse im Privatsektor, dem auch Millionen an Mikrounternehmern angehören, effektiver und wettbewerbsfähiger auf dem Weltmarkt. Dies trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei. Mehr Bildung sorgt zudem für eine informiertere Politikgestaltung. Das steigende Bildungsniveau nährt auch Forderungen nach besserer Führung in Afrika. In den frühen 1980er Jahren sahen wir mit Erstaunen, wie die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner von ihren Regierungen Schutz, Arbeit und Zugang zu günstigen Lebensmitteln erwarteten. Die Märkte betrachteten sie mit Argwohn. Sie glaubten, wenn man ihnen erzählte, dass es ihren Regierungen nach Jahrzehnten der Kolonialherrschaft um das Wohl der Bevölkerung ging. Mit steigendem Bildungsniveau ist die Bevölkerung Afrikas politisch kompetenter und aktiver geworden. Gebildete Menschen lassen sich nur schwer täuschen oder unterdrücken. Heute fordern die meisten jungen Afrikanerinnen und Afrikaner mehr Rechenschaft von ihren Regierungen und betrachten die Märkte als Quelle für persönliche Chancen und die eigenen Lebensverhältnisse. Eine aktuelle Studie aus Kenia hat gezeigt, dass Menschen mit höherem Vermögen und besserer Bildung eher die Demokratie unterstützen und die Opposition wählen. Heute verändert die afrikanische Jugend den Kontinent, nicht weil sie jung ist, sondern weil sie besser gebildet ist, unternehmerischer denkt, versierter und technisch kompetenter ist und Informationen aus aller Welt besser zu nutzen vermag als jede andere afrikanische Generation vor ihr.
Insbesondere in Verbindung mit der Zunahme der Bildung in der erwerbstätigen und wahlberechtigten Bevölkerung wird der rasante, bis in die abgelegensten ländlichen Gebiete Afrikas reichende Vormarsch der öffentlich verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und telefonbasierten Informationen sich positiv auf die Entwicklung auswirken. Jüngst hat das Wissenschaftsmagazin „World Development“ in einem Sonderteil darüber berichtet, dass Informationen tatsächlich Entwicklungsergebnisse verbessern können, wenn die Nutzerinnen und Nutzer sie als relevant empfinden und sie sowohl die Macht als auch die Anreize haben, auf Grundlage dieser Informationen zu handeln. Das steigende Bildungsniveau trägt somit dazu bei, dass das rasant vergrößernde Informationsangebot wirksamer genutzt und in verbesserte Lebensverhältnisse umgesetzt wird.
Eine Sonderausgabe der Zeitschrift „Foreign Affairs“ dokumentiert den rapiden Anstieg der Nutzung des Online-Bankings durch die afrikanische Bevölkerung und des softwarebasierten Angebots von Informationen und Dienstleistungen. Netscape-Gründer Marc Andreessen sagte kürzlich mit Blick auf die Zukunft, dass bis 2025 fast jede Afrikanerin und fast jeder Afrikaner ein Smartphone besitzen werde. In Erwartung dessen arbeiten Softwareanbieter fieberhaft daran, diesen wachsenden Markt für Digitalleistungen zu befriedigen. Regierungen und Unternehmen kommen mehr und mehr im Informationszeitalter an und digitalisieren viele ihrer Prozesse. Damit steigen die Chancen für die wachsende Zahl an afrikanischen Unternehmen im Bereich Informationstechnologie (IT) sprunghaft an. Durch die rasante Entwicklung neuer Kommunikationstechnologie werden wichtige Aspekte der Wirtschaft, darunter der Bankverkehr, Zahlungssysteme, die staatliche Einnahmenerhebung und Online-Unterricht, zunehmend digital, insbesondere in städtischen Gebieten. Die alarmierende digitale Kluft, die Afrika vor drei Jahrzehnten erlebte, schließt sich langsam.
Dank digitalem Wandel sind Afrikanerinnen und Afrikaner heute, anders als noch vor zwanzig Jahren, mit der Weltgemeinschaft vernetzt.
So wie digitale Technologien einen Wandel der Geschäftspraktiken in entwickelten Ländern bewirken, wirkt sich der Zugang afrikanischer Landwirte zu Informationen positiv auf ihre Entscheidungen und Wettbewerbsfähigkeit aus. Neue digitale Technologien halten langsam Einzug in die Führung landwirtschaftlicher Betriebe, in ländliche Verkehrsdienste, Marktpreisinformationen, Kaufgelegenheiten, elektronische Zahlungen, Eingangsleistungen und die Auszahlung von Sozialleistungen. Digitale Technologien haben ein großes Potenzial, den historischen Zusammenhang zwischen geografischer Abgelegenheit und Armut zu verkleinern, wenn nicht zu überwinden, und den Begriff der Abgelegenheit neu zu definieren. Dank digitalem Wandel sind Afrikanerinnen und Afrikaner heute, anders als noch vor zwanzig Jahren, mit der Weltgemeinschaft vernetzt. Vor einigen Jahrzehnten noch unmöglich, haben Millionen von Afrikanerinnen und Afrikanern heute Zugang zu Nachrichten aus aller Welt und internationalem Know-how.
Die Regierungsführung in der gesamten Region zeigt eindeutig Besserungen. Zwar mögen sich beim Blick auf bestimmte Länder Bedingungen kurzfristig verbessern oder auch verschlechtern. Die langfristige Entwicklung ist jedoch unverkennbar. In den 1980er Jahren waren die meisten Regierungen Afrikas repressiv. Putsche waren keine Seltenheit. Die großen Führer Afrikas regierten mit eiserner Hand und grausamer Politik. Pressefreiheit gab es so gut wie nicht. Diese Situation ist heute nur noch für wenige der 45 Länder südlich der Sahara Realität. Die makrowirtschaftliche Führung hat sich in der poststrukturellen Anpassungsphase dramatisch verbessert. Vorbei sind die Zeiten, als Idi Amin seine Finanzminister zum Gelddrucken zwang. Heute werden die meisten Finanzministerien von Experten geführt, die einer Marktwirtschaft verpflichtet sind und internationale Standards achten. Seit 2000 haben sich nur wenige afrikanische Länder hoch verschuldet und mussten Schuldenschnitte von internationalen Gläubigern beantragen oder haben Hyperinflation oder rapide Währungsabwertungen erleiden müssen. Die meisten afrikanischen Staaten haben in den letzten 20 Jahren ihre Makrowirtschaften stabilisiert, was massive Direktinvestitionen aus dem Ausland angezogen und die Wirtschaftsleistung in der Region gesteigert hat.
Verbesserungen bei der Regierungsführung und Kooperation haben außerdem zur freieren grenzüberschreitenden Bewegung von Kapital in Afrika beigetragen und den innerafrikanischen Handel gestärkt (Songwe, 2019). Vor 40 Jahren wurden die Banksektoren afrikanischer Länder von ausländischen Banken kontrolliert. Heute dominiert eine Reihe afrikanischer Banken. Viele dieser Banken sind heute regional tätig. Vor dem Hintergrund afrikaweit entstandener Investitionsmöglichkeiten investieren Investitions- und Privatkapitalgesellschaften aus den entwickelteren Staaten Afrikas in den weniger entwickelten Staaten (Silici und Locke, 2013). So sind etwa viele nigerianische Banken in ganz Afrika aktiv. Neue Privatkapitalfonds konzentrieren sich zunehmend auf Unternehmertum, Agrarbetriebe, von Frauen geführte Unternehmen und Lebensmittelbetriebe. Die Tony Elumelu Stiftung hat über einen Zeitraum von zehn Jahren 100 Millionen USD zur Förderung von 10.000 Unternehmern und zur Schaffung von einer Million Arbeitsplätzen sowie 10 Milliarden USD für neue Wirtschaftsaktivität bereitgestellt sowie Kofinanzierung von internationalen Organisationen eingeworben.
Parlamentsmitglieder sowie Regierungsvertreterinnen und Vertreter sind die Spiegelbilder ihrer Gesellschaften und Wählerinnen und Wähler. Mit weiter steigendem Bildungsniveau wird die Regierungsarbeit in Afrika offener und gleicher werden und stärker an den Wählerinnen und Wählern orientiert sein. Dies ist eine glückliche Entwicklung für Afrika. Dies bedeutet nicht, dass es nicht auch größere Rückschläge und beunruhigende Entwicklungen geben wird, wie sie sich übrigens für jedes Land feststellen lassen. Wichtig ist vielmehr, dass die Auswirkungen der positiven Entwicklungen zusammengenommen die negativen Entwicklungen überwiegen. Unter dem Strich gehen die Entwicklungen in der Regierungsführung in Afrika seit mindestens drei Jahrzehnten in die richtige Richtung.
Vor 30 Jahren war Afrika Synonym für Krieg, Hunger und Armut. Dieses Narrativ hat heute keinen Bestand mehr. In Afrika hat sich – getragen von landwirtschaftlichem Wachstum, wirtschaftlicher Diversifikation, Digitalisierung, Unternehmergeist, Arbeitskräftemobilität und Verstädterung – eine Mittelklasse zu bilden begonnen. Der Aufstieg Afrikas ist vor allem auch dem allgemein steigenden Bildungsniveau, einem besseren Zugang zu Informationen und Chancen, dem Vormarsch von Demokratie und mehr Rechtsstaatlichkeit zu verdanken. Positive Kreisläufe werden in Gang gesetzt: Die besser gebildeten und informierten Klassen erheben ihre Stimmen und fordern eine saubere Regierungsführung und Rechenschaft von ihren Regierungen. Dadurch werden sich die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, die Infrastruktur und die wirtschaftlichen Chancen weiter verbessern. Ganz wie in den letzten Jahrzehnten, nur schneller. Die positive Entwicklung Afrikas ist unverkennbar. Doch wird es mindestens einige Jahrzehnte dauern, bis die meisten afrikanischen Staaten in der soliden Mittelklasse angekommen sind. Verglichen mit anderen Regionen der Welt ist das eine erstaunlich kurze Zeit, obschon Millionen von in Armut lebenden Menschen diese Entwicklung als schmerzhaft schleichend erleben werden.
Wie COVID-19 die Region treffen wird, lässt sich schwerlich genau abschätzen. Sicher ist, dass das Virus vielen Menschen den Tod bringen, großen Schmerz insbesondere für die Armen verursachen und die Entwicklung der Region zumindest vorübergehend anhalten wird. Sehr wahrscheinlich wird COVID-19 Regierungen stark unter Druck bringen, in die Wasserversorgung, in Hygiene und in das Gesundheitswesen zu investieren. Auch wird das Virus sehr wahrscheinlich verstärkte Bemühungen in der Region aktivieren, um Pandemien und andere Krisen selbst bekämpfen und die grundlegenden Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung erfüllen zu können. Diese Investitionen werden die langfristige Entwicklung Afrikas stärken.
Der ehemalige Hockeyspieler Wayne Gretzky scherzte einmal, dass gute Hockeyspieler immer dort spielen, wo der Puck ist. Sehr gute Hockeyspieler spielten jedoch immer dort, wo der Puck sein wird. Weil die Veränderungen so schnell voranschreiten, lässt sich die Zukunft Afrikas am besten verstehen, wenn man sich nicht zu stark auf die Gegenwart konzentriert. Das vernebelt die Sicht darauf, wohin die vielen langfristigen Entwicklungen deuten.
Dieser Artikel erschien zuerst in Rural21 Vol. 54 No. 2/2020 zum Thema: Employment for rural Africa und ist Teil einer Medienkooperation zwischen weltohnehunger.org und Rural 21.